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Wellentraum

Wellentraum

Titel: Wellentraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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benutzen, um sich ihm zu beweisen. Eine Welle heraufbeschwören, wie Dylan es getan hatte. Einen Sturm heraufbeschwören und ihn über seinem ungläubigen Kopf entladen. Aber das hätte nicht nötig sein sollen. Er hätte ihr vertrauen sollen.
    »Gehen wir nach Hause«, sagte Caleb sanft. »Du kannst die nassen Klamotten wechseln, und dann …«
    Margred öffnete die Augen. »Uns nackt auszuziehen wird auch nicht helfen.«
    Er lächelte ein wenig. »Ich wollte nicht vorschlagen, unsere Probleme mit Sex zu lösen. Obwohl, wenn du Lust hast …«
    »Ich will zu deiner Schwester.«
    Caleb sah misstrauisch aus, wie jemand, der sich einem Hai am Strand nähert. »Klar. Wir können auf dem Heimweg bei ihr vorbeifahren.«
    »Ich gehe nicht mit dir nach Hause.« Ihre Hände zitterten, aber ihre Stimme war ruhig, fest vor Entschlossenheit. »Nicht, bis du mich als das akzeptierst, was ich bin.«
    Caleb hob die Augenbrauen. »Vorher hat dich das nicht interessiert.«
    Er
hatte sie vorher nicht interessiert.
    Aber jetzt schon.
    Und sie würde keinen Rückzieher mehr machen.

[home]
    15
    E s amüsierte Tan, zu spüren, wie sich sein menschlicher Wirt in sinnlosem Protest auf dem Boden krümmte. Sein schwacher, verwässerter Geist hatte Tans purem Willen nichts entgegenzusetzen.
    Die Erschaffung des Menschen war ein Schlag ins Gesicht der Ehrwürdigen gewesen. Die Existenz der Menschheit ein Affront. Und doch war der Schöpfer vernarrt in diese kurzlebigen, eingekreuzten Bastarde und hatte ihnen die Herrschaft über die Kreaturen der See und der Erde und der Luft anvertraut.
    Unfassbar. Und beleidigend, wirklich.
    Natürlich hatten es die Menschen vermasselt. Es war besser, die ganze Schöpfung im Feuer zu läutern, als sie durch die Gegenwart dieses Ungeziefers zu besudeln.
    Tan zwang den Menschen, auf Händen und Knien über den Boden zu kriechen, hinüber zu dem schimmernden Aquarium am anderen Ende des Raums.
    Das Kräftegleichgewicht zwischen Himmel und Hölle stand auf Messers Schneide. Die Kinder der See waren zu lange schwach und neutral geblieben. Jahrhundertelang hatte die Hölle zugesehen, wie die Menschen die Ozeane plünderten, Seehundfelle an sich nahmen und die Geduld des Seevolks untergruben.
    Und noch immer handelten die Mer nicht. Llyr zog sich tiefer und tiefer in die See zurück und ließ sich gehen. Conn klammerte sich an seine Position.
    Es war an der Zeit, das Zünglein an der Waage zu spielen. Zugunsten der Hölle.
    Tan manipulierte Nerven und Sehnen wie Marionettenfäden, und ruckartig richtete sich der Mensch neben dem Aquarium auf. Kleine Fische glitten in ihrer hellen, abgeschlossenen Welt dahin, selbstgefällig in ihrer Schönheit, unempfänglich für die Gefahr, in der sie schwebten. Lächelnd entfernte er den Deckel des Tanks. Die Hand des Menschen zitterte.
    Tan war damit beauftragt, Angehörige der Mer zu ermorden, und zwar so, dass der Verdacht direkt auf die Menschen fiel. Wenn genug Selkies durch Menschenhand starben, wenn genug von ihnen ihre Unsterblichkeit durch menschliches Eingreifen verloren, würden sie gezwungen sein, sich zu ihrer Verteidigung auf die Seite der übrigen Elementargeister zu schlagen. Und wenn Tan zugleich Atargatis’ Abstammungslinie auslöschen konnte, würde er damit dafür sorgen, dass die neuen Verbündeten der Hölle niemals zur Bedrohung werden würden.
    So kompliziert.
    So klug.
    Tan tauchte eine Hand ins Wasser. Fische stoben auseinander. Nicht schnell genug. Tan sah auf das kleine, gestreifte Lebewesen herab, das zwischen seinen Fingern glänzte. Ein Engelfisch. Wie … passend.
    Er genoss das hektische Zappeln in seiner Hand, den irren Kampf um Atem, um Leben. Er leckte über die glatte, geschuppte Haut, erschnupperte den zarten Geruch des Fischs. Seine Verzweiflung würzte das menschliche Entsetzen, das in seiner Kehle aufstieg, die Weigerung, die in seinem Hinterkopf klopfte, auf das Köstlichste.
    Weit öffnete er den Mund.
    Oh, diese Wonne, diese sich windende, sich schlängelnde Lust an seinem Gaumen, über seiner Zunge. Ein stummer Schrei hallte in seinem Kopf wider, als lebendes Fleisch kühl zerplatzte, als es knirschte und schmatzte. Tan zwang seinen Wirt, zu kauen, zu schlucken, die verkrampften Muskeln in seinem Hals zu entspannen, mit der Zunge über die Zähne zu fahren. Er erfreute sich an seinem Erschauern. Der Körper, den er bewohnte, würgte. Er war delikat, dieser Geschmack von Galle und Selbstekel, der sich mit dem des saftigen,

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