Wellentraum
lebendigen Opfers vermischte.
Sehr wohlschmeckend. Fast … sättigend.
Tan verdiente sein bisschen Spaß. Obwohl er die Notwendigkeit lästig fand, war er diskret gewesen, hatte sorgfältig darauf geachtet, alles zu vermeiden, was den Argwohn des Meeresprinzen, Conn, oder die Aufmerksamkeit des Himmelsgenerals Michael erregen konnte.
Er hatte die Selkie Margred nicht vor einem Zeugen ermordet – nicht einmal vor einem menschlichen Zeugen.
Aber nun, da Margred ihn erkannt hatte, nun ja …
Sie musste sterben.
Irisierende Schuppen schmückten seine Hand wie Juwelen. Wie Tränen. Heiß und hilflos strömte es aus den Augen seines Wirtes.
Lächelnd tauchte Tan die Hand dieses Menschen erneut ins Aquarium.
Caleb blickte finster durch die Windschutzscheibe auf die stillen Straßen seiner Stadt. Seine Nerven zuckten nervös, und seine Sinne waren zum Zerreißen gespannt, weil … Ja, warum? Er war nicht mehr in Mosul, wo hinter jeder Straßenbiegung Sprengsätze oder feindliche Kämpfer lauern konnten. Kinder mit Steinen. Schlaglöcher.
Okay, es gab auch Schlaglöcher in Maine. Doch das erklärte nicht das Jucken in seinem Nacken und das ungute Gefühl in seiner Magengrube.
Vielleicht wollte er nur Zeit schinden, jenen Moment hinauszögern, wenn er in sein schweigendes, leeres Haus zurückkehrte.
Er hatte vorher allein gelebt. Nach der Sardinenbüchse seines Wüstenwohnwagens und dem Aufenthalt auf der Krankenstation hatte er sich darauf gefreut, wieder allein zu leben.
Er sollte nach Hause fahren. Da Maggie fort war, konnte er wieder tun und lassen, was er wollte. Sich bis auf die Unterwäsche ausziehen, Eis auf sein Knie legen, sich durch die Fernsehkanäle zappen …
Als sein Handy klingelte, war es fast eine Erlösung. Bei dem Blick aufs Display schoss sein Pulsschlag in die Höhe, als er die Nummer von
Antonias Ristorante
erkannte. Maggies Schicht war vor Stunden zu Ende gegangen, aber vielleicht …
»Hunter.«
»Cal, ich bin’s, Regina.« Ihre Stimme klang forsch, aber er hörte die Sorge heraus.
Er lenkte den Jeep bereits Richtung Restaurant. »Was gibt’s?«
»Nichts richtig Schlimmes. Wir schließen jetzt, und einer unserer Gäste hat ein bisschen zu tief ins Glas geschaut.«
Es musste etwas sein, dachte Caleb. Regina ließ sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen, und Antonia jagte den meisten Betrunkenen eine Heidenangst ein. »Hast du seine Schlüssel an dich genommen?«
»Als Allererstes«, versicherte Regina.
»Und?« Er war dankbar für die Ablenkung. Aber er war kein verdammtes Taxiunternehmen.
»Er hat damit nach mir geworfen«, fuhr Regina fort. »Und ein paar Flaschen zerbrochen. Wenn du kurz vorbeikommen …«
»Bin schon unterwegs.«
»Die Sache ist nur …« Ihr Zögern ließ die Leitung geradezu vibrieren. »Du sollst nicht denken, dass ich wegen ein bisschen zerbrochenen Glases überreagiere. Aber du solltest wissen, dass der Bursche …«
Ihre Geheimniskrämerei verstärkte sein Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung war. »Was?«
»Es ist dein Vater.«
Sein Vater.
Calebs Magen krampfte sich zusammen. Natürlich. Als Sohn des Stadtsäufers aufzuwachsen hätte ihn darauf vorbereiten sollen.
Wie oft, bevor Caleb seinen Führerschein gemacht hatte, hatte Chief Miller seinen Vater zur Sperrstunde nach Hause gebracht? Und jene Nächte – so demütigend sie auch sein mochten – waren immer noch besser gewesen als die Tage, an denen Bart Hunter gar nicht heimgekommen war und Caleb aus den Fenstern des Klassenzimmers gestarrt und gehofft hatte, Lucy möge es rechtzeitig in die Schule geschafft haben. Und sich gefragt hatte, wie er für sie sorgen sollte, wenn ihr Dad nie wiederkommen würde.
»Bin schon unterwegs«, wiederholte er.
Bart Hunter stand zwischen den Restauranttischen wie eine Tanne mitten in den Felsen – gebleicht von der Sonne, wettergegerbt von Wind und Regen und aufrechterhalten nur durch die Macht der Gewohnheit und die Gnade Gottes.
Caleb spürte gallenbitter eine altvertraute Hilflosigkeit aufsteigen und verbiss sich einen Fluch.
»Willst du Anzeige erstatten?«, fragte er Regina, die hinter der Theke Glasscherben aufkehrte. Das volle, fruchtige Aroma des Weins wetteiferte mit dem Kiefernnadelduft des Reinigungsmittels in dem Eimer zu ihren Füßen. Von dem Geruch wurde Caleb übel.
Sie streifte die Hände an der Schürze ab. »Ich will, dass er verschwindet. Ich werde ihm den Wein in Rechnung stellen.«
»Den Wein, die
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