Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wellentraum

Wellentraum

Titel: Wellentraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
Vom Netzwerk:
Vater Hummer gefangen, aber dann konnten sie es kaum noch ertragen, am selben Tisch zu essen, geschweige denn, zwölf Stunden auf demselben Boot zu verbringen. Caleb hat es sich so lange gefallen lassen, wie er konnte. Er ist ein guter Bruder.« Ihr Blick, ernst und ungeschützt, begegnete dem von Maggie, und einen Moment lang spürte Maggie ein Summen, ein Klicken, ein … Die junge Frau sah weg. »Er ist ein guter Mann.«
    Selkies dachten nicht in Kategorien wie Gut oder Böse. Sie
waren
einfach, und ihre Existenz war ihnen genug. Aber für Menschen, deren Leben kurz und chaotisch war, deren Entscheidungen das ewige Schicksal ihrer Seele bestimmten, waren Gut und Böse von Bedeutung.
    Caleb war ein guter Mann, erkannte Maggie und fühlte einen Schmerz, als hätte sie einen blauen Fleck auf ihrem Herzen. Ob er ihr glaubte oder nicht, er versuchte, sie zu beschützen. Sich um sie zu kümmern.
    Und eines Tages würde er sterben.
    Wie konnte er das ertragen?
    Wie sollte sie das ertragen?
    Ihr Gefährte war gestorben, und sie hatte um ihn getrauert. Aber ihr Leben mit ihm hatte sich nicht wesentlich von dem unterschieden, das sie in den Jahrhunderten davor oder den Jahrzehnten danach geführt hatte: Sonnenschein, Meer und Sturm, der Lauf der Jahreszeiten, die Fülle des Ozeans, die Freiheit der Wellen. Fünfzig Jahre später konnte sie sich schon nicht mehr an seine Berührungen oder an die Klangfarbe seiner Stimme erinnern.
    Caleb hinkte die Treppe herab. Seine wunderbaren grünen Augen wirkten ernüchtert, sein Mund war vor Schmerz zusammengepresst, und sie fühlte ein Stechen in ihrem Bauch.
    Er
hatte sie bewegt. Verändert.
    Selbst wenn sie in die See zurückkehrte – würde sie jemals wieder dieselbe sein?
    »Wie geht’s Dad?«, fragte Lucy.
    Calebs Gesicht wurde weich, als er seine Schwester ansah. »Er schläft.«
    »Das ist gut.« Lucy trat von einem Fuß auf den anderen. Ließ den Blick von Caleb zu Maggie wandern. »Ich glaube, ich schaue mir die Show in meinem Zimmer zu Ende an. Gute Nacht.«
    »Nacht, Lu.«
    »Gute Nacht«, stimmte Margred ein.
    Lucys Schritte verklangen auf dem Weg nach oben.
    »Willst du mir sagen, was hier vor sich geht?«, fragte Caleb ruhig.
    Sie hob die Augenbrauen. »Ich habe mit deiner Schwester ferngesehen. Es ist sehr … lehrreich.«
    Caleb verzog den Mund. »Süße, es ist eine Castingshow und nicht der Geschichtskanal.« Er drückte auf einen Knopf, und der Fernseher wurde schwarz. »Was war das vorhin mit meinem Vater? Er hat so getan, als würde er dich wiedererkennen.«
    »Das hat er auch. Das heißt«, verbesserte sie sich selbst, »er erkennt, was ich bin.«
    »Und was zum Teufel wäre das?«
    Die Frage bohrte sich wie ein Messer in ihre Brust. Sie hatte es ihm gesagt, und er hatte ihr nicht geglaubt. »Hast du ihn gefragt?«
    »Ich bekomme schon keine vernünftige Antwort von dem Mann, wenn er nüchtern ist. Wenn er getrunken hat, ist er noch weniger zu verstehen.«
    Sie streckte das Kinn vor. »Und solange du dir sagen kannst, dass er betrunken ist und ich verrückt bin, musst du keinem von uns glauben.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht hergekommen, um mit dir zu streiten. Ich vermisse dich, Maggie.«
    Ihr Herz hüpfte. Sie verschränkte die Arme, damit es in ihrer Brust blieb. »Schon nach einem Tag.«
    Er lächelte ironisch. »Schon nach fünf Minuten. So lange habe ich gebraucht, um zu begreifen, dass ich mich gestern anders hätte verhalten sollen. Ich war wütend. Und eifersüchtig, schätze ich. Und das habe ich an dir ausgelassen.« Sein Blick traf den ihren, voller Gefühl und Verlangen, und ihr Magen machte einen Satz. »Komm mit mir nach Hause, Maggie.«
    Sein Geständnis berührte sie. Aber es reichte ihr nicht. Sie holte zitterig Luft. »Du vertraust mir nicht.«
    »Ich will dich.«
    »Du
kennst
mich nicht«, entfuhr es ihr.
    Er hob die Augenbrauen. »Das hat uns vorher auch nicht gestört.«
    »Vorher war es nicht wichtig.«
    Er
war nicht wichtig gewesen.
    Jetzt aber schon. Margred biss sich auf die Lippen.
    So einfach war das. Und so schmerzlich.

[home]
    16
    D ie Selkie erwies sich als stärker als der Mensch. Sie leistete mehr Widerstand gegen Tans Willen. Und sie starb langsamer.
    Der erste Umstand war ein Nachteil, dachte der Dämon, während er auf ihren nackten, blutenden Körper hinuntersah. Was den zweiten Umstand ziemlich praktisch machte. Je länger sie lebte, desto größer war die Chance, dass er ihr die gewünschte Information

Weitere Kostenlose Bücher