Wellentraum
dem Weg schob. »Was suchst du denn immer noch hier?«
Margred nahm eine defensive Haltung ein. »Ich warte auf Caleb.«
»Oh, das ist ja süß.«
Sie fletschte die Zähne zu einem Lächeln. »Wenn du dich über mich lustig machst, beiße ich dich.«
Ein wohlwollendes Lachen hellte Reginas kantiges Gesicht auf. »Tut mir leid … Zum Kotzen, oder?«
»Was?«
»Das. Männer. Sex.« Regina gab Muscheln und Pommes frites in ein Körbchen und brachte es irgendwie zuwege, dass ein Salatblatt und ein paar Zitronenstückchen wie ein elegantes Arrangement aussahen. »Bestellung ist fertig«, rief sie durch die Durchreiche.
»Ich mag Sex«, erwiderte Margred.
»Ich auch. Falls ich mich überhaupt noch daran erinnern kann.« Regina sah finster auf den nächsten Bon und versenkte eine Ladung vorgeschnittene, tiefgefrorene Pommes frites in der Fritteuse. »Aber er macht dumm. Ich habe mir immer geschworen, keine dieser armen Frauen zu werden, die ihre Leben damit vergeuden, auf irgendeinen Kerl zu warten, der ihre Existenz zu schätzen weiß. Dann habe ich Nicks Vater getroffen und peng – ich werfe alles über den Haufen und warte zitternd darauf, dass er mich auch nur anlächelt.«
Margred spürte, wie sich zaghaft Neugier, Interesse in ihr breitmachte. Als wäre Regina eine Freundin, ihre erste menschliche Freundin. Als ob auch sie Wurzeln an diesem Ort schlagen würde. »Was ist mit Nicks Vater passiert?«
Regina zuckte mit den Schultern. »Es stellte sich heraus, dass es ihm noch schwerer fiel, sich über Nicks Existenz zu freuen. Ich hatte es satt, darauf zu warten, dass er es doch tat, und deshalb bin ich nach Hause gekommen.«
Margred hatte das Gefühl, sie sollte im Gegenzug auch etwas, ein Geständnis, anbieten. »Ich habe noch nie auf einen Mann gewartet.«
»Dann hattest du noch nie ein Date in Boston. Diese Stadtjungs haben alle ein Handy dabei, damit sie dich anrufen und ihre Entschuldigungen vorbringen können, warum sie schon wieder zu spät kommen.«
Margred konnte ihr schlecht erklären, dass sie zu einem Date mit ihr nicht zu spät kommen würden. Kein sterblicher Mann hatte je ihren Verführungskünsten widerstehen können.
Wo also blieb Caleb?
Eine Stunde und sechsunddreißig Minuten.
Sie presste die Lippen aufeinander.
Regina seufzte, offenbar weil sie den Grund für ihr Schweigen missdeutete. »Hör zu, du könntest es schlechter treffen als mit Caleb. Er ist einer von den Guten. Als ich ihn wiedergesehen habe, hatte ich eigentlich irgendwie gehofft, dass …«
Die Tür schwang auf. Caleb trat auf die Schwelle, und seine große Gestalt strahlte Hitze und Frust aus. Sein Blick flog durch die Küche.
»Und da ist er auch schon«, sagte Margred.
Regina wurde rot. »Oh. Okay. Streich das Letzte. Jedenfalls …«
Aber Margred hörte schon nicht mehr zu. Die Erleichterung, die Calebs Rückkehr in ihr auslöste, überwältigte sie. Ärgerte sie. Sie war es nicht gewohnt, sich um jemanden zu sorgen. Wie sollte sie damit zurechtkommen?
Wie kam er damit zurecht?
»Du kommst spät«, sagte sie.
»Ja.« Er entschuldigte sich nicht. Sein Gesicht war hart und müde. »Du bist ja noch hier.«
Sie hob das Kinn. »Sieht ganz so aus.«
Sein Blick, tief und aufgewühlt wie die See, bohrte sich in ihren, und wieder spürte sie dieses komische kleine Flattern in ihrer Brust.
Zuhause.
»Danke«, erwiderte er ruhig.
Sie zuckte mit den Schultern, weil sie nicht zeigen wollte, wie sehr sie sich über diesen Blick freute. Ihr Bedürfnis war zu neu, zu tief, zu unverarbeitet, um es zu enthüllen.
»Gehen wir«, sagte er.
Margred band ihre Schürze auf.
Regina hob die Augenbrauen. »Dir auch einen schönen guten Tag.«
Aber sie waren schon fort.
Maggie lehnte sich an die gepolsterte Sitzlehne im Cockpit des Leihbootes. Umrahmt vom silbernen Spiegel des Wassers und dem tiefblauen Himmel war sie so schön, dass es Caleb die Kehle zuschnürte. Seine Brust schmerzte wie von einer alten Narbe.
Sie hatte auf ihn gewartet. Dieses eine Mal wenigstens hatte sie auf ihn gewartet. Er erlaubte sich eine kleine Befriedigung. Und eine ruhige Hoffnung.
Sie ertappte ihn dabei, wie er sie anstarrte, und hob die Augenbrauen. »Weißt du, wohin wir fahren?«
Er machte sich rasch an den beiden Achterleinen zu schaffen, damit sie den Hunger in seinen Augen nicht sah. »Du hast gesagt, es ist eine Insel knapp fünf Kilometer östlich von Seal Cove. Ich schätze, wir werden es wissen, wenn wir sie
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