Wells, ich will dich nicht töten
mir Brookes toten Körper vor, der mit einem Ruck wieder zum Leben erwachte, getrieben von der Dämonin in ihrem Blut. Es reichte nicht aus, den Wirt zu töten. Ich musste auch das Monster im Körper umbringen.
Ich kauerte mich auf dem Boden zusammen, hielt die Augen fest geschlossen und legte mir die Hände auf die Ohren, doch die Gedanken waren im Kopf, und ich konnte sie nicht einfach abstellen. Feuer war eine Möglichkeit. Wenn ich sie in ein großes Feuer warf, würde die Dämonin verbrennen, ehe sie fliehen konnte.
Vielleicht gab es doch noch einen Weg, sie zu retten. Eine Dialysemaschine könnte das Blut und damit auch die Dämonin herauspumpen. Man würde das Blut filtern und zurückleiten. Aber vielleicht auch nicht – der Brei war zäh, und wenn man ihn mit hohem Druck gegen den Willen der Dämonin herausholte, würde dabei auch die Trägerin sterben. Außerdem – wie sollte ich eine Dialysemaschine beschaffen?
Die Vordertür öffnete sich, Schritte näherten sich. Mein Herz raste, und ich war auf absurde Weise absolut sicher, dass die Dämonin gekommen war, um mit Brookes Stimme und durch ihren Mund mit mir zu sprechen. Doch ich erkannte die Schritte meiner Mom, entspannte mich ein wenig und ließ den Kopf auf die kalten Bodenfliesen sinken. Allmählich beruhigte sich mein Atem. Die Schritte entfernten sich in Richtung der Küche, Mom drehte den Wasserhahn auf und wieder zu. Dann kehrten die Schritte in den Flur zurück, wurden auf dem weichen Teppich gedämpft. Auf einmal stand sie keuchend in der Badezimmertür.
»John!« Sie ließ die Handtasche fallen und kniete nieder, berührte mich an den Schultern, legte mir die Hand auf die Stirn und tastete nach meinen Puls. Dann warf sie einen Blick in die Toilette, knirschte mit den Zähnen und schob mir die Arme unter die Achseln, um mich hochzuziehen. »Komm schon«, sagte sie leise. »Schon gut, komm hoch.« Ich hielt mich mit einer Hand an ihrem Arm fest und stützte mich mit der anderen an der Wand ab, bis ich stand. Zusammen stolperten wir ins Wohnzimmer, wo sie mich aufs Sofa verfrachtete. Sie setzte sich neben mich, zog meinen Kopf auf den Schoß und streichelte mir mit einer Hand über die Haare.
»Es tut mir so leid, John. Mir tut so leid, was mit Marci passiert ist.«
War es wirklich erst heute Morgen geschehen? Nicht einmal sieben Stunden waren seit meinem Anruf bei Marci vergangen. Trotzdem schien sie schon seit einer Ewigkeit tot zu sein. Ich fühlte mich leer und verbraucht wie ein alter Reifen, der in der Sonne liegt und Risse bekommt.
»Ich hörte dich nach Hause kommen«, sagte Mom, »und dachte, ich lasse dich eine Weile in Ruhe. Ich hätte mich gleich um dich kümmern sollen.«
»Es geht ja nicht nur um Marci«, wandte ich ein. »Du hast doch den Dämonenkleister gesehen, oder?«
Es gab eine Pause. »Ja.«
Ich schloss die Augen. »Es hat sie nacheinander übernommen, die ganzen Selbstmorde gehen zu seinen Lasten, und nun steckt es in einer anderen Person.«
Wieder überlegte sie. »Was willst du tun?«
»Ich weiß es nicht.« Ich würde Brooke töten. »Keine Ahnung. Anfangs dachte ich, ich würde Dämonen töten, aber dann wurde mir klar, dass das allein nicht ausreicht. Ich musste auch die Menschen retten. Jetzt … jetzt kann ich weder das eine noch das andere mehr tun.« Dabei wusste ich, dass dies nicht der Wahrheit entsprach. Irgendwo würde ich sicher die Kraft finden, die Dämonin zu töten. Brooke konnte ich nicht mehr retten, doch töten konnte ich immer noch. Manchmal schien es mir, als sei das Töten die einzige Tätigkeit, die ich wirklich gut beherrschte. »Ich will kein Killer sein.«
Wir schwiegen eine Weile, bis Mom abermals das Wort ergriff. »Lauren hat mir erzählt, was gestern Abend passiert ist. Du hast sie angestiftet, mich aus dem Haus zu locken.«
Ich presste die Fingerspitzen auf die Stirn und rieb sie mir, um die beginnenden Kopfschmerzen zu vertreiben. Es half nicht. »Sie wusste von nichts – es war nicht ihre Schuld.«
»Nein, sie war völlig ahnungslos, aber das macht die Sache nicht besser. Sie bringt sich fast um vor Sorge und malt sich aus, in welche Klemme du um ein Haar geraten bist.«
»Das ist angesichts der Begleitumstände richtig niedlich ausgedrückt.«
Mom seufzte. »Bitte, John, versteck dich nicht hinter Ironie und Wortklaubereien.« Wieder schwieg sie eine ganze Weile. »Hast du den Mann getötet?«, fragte sie schließlich.
»Nein.«
»Hattest du die Absicht, ihn zu
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