Wells, ich will dich nicht töten
rief Marci aufgeregt, »laufen bei euch die Nachrichten?«
»Im Moment nicht.«
»Auch egal, ich weiß nicht, ob es überhaupt schon bekannt ist.«
»Was denn?«
»Kannst du gleich herkommen?«
»Langsam, was ist denn überhaupt los?«
»Sie haben William Astrup verhaftet«, erklärte sie. »Ich hab’s auf dem Flur im Funkgerät meines Dad gehört. Sie haben Astrup in Springdale wegen Förderung der Prostitution festgenommen.«
Ich runzelte die Stirn. Springdale war trotz des schönen Namens die ärmste Gegend im Clayton County, im Grunde nur eine ausgedehnte Reihe von Wohnblocks, die mitten durch das Stadtzentrum verlief. Es war genau die Gegend, in der ein Zuhälter eine Prostituierte einquartierte, aber niemand hätte damit gerechnet, dass ein bedeutender Mann beteiligt wäre.
»Wer ist dieser William Astrup?«, fragte ich. »Ein Cop?«
»Machst du Witze? Ihm gehört das Sägewerk«, antwortete Marci. »Er ist der reichste Mann im County und der größte Arbeitgeber. Niemand kommt auch nur annähernd an ihn heran. Noch nie von ihm gehört?«
»Ich bin eher erstaunt, was du alles weißt«, erwiderte ich. »Wer hat dir erzählt, dass er der Sägewerksbesitzer ist?«
»Komm einfach rüber«, sagte sie. »Er ist unser nächstes Opfer, das kann gar nicht anders sein, aber ohne dich will ich Dad nicht darauf ansprechen.«
Sie hatte recht, der Mann war ein ideales Opfer für den Handlanger, und es blieben nur noch wenige Tage. Doch so lächerlich es klang, ich ließ den Verdacht, Officer Jensen könne der Dämon sein, immer noch nicht ganz fallen. Durfte ich es wagen, zu ihm zu fahren und ihm meinen ganzen Plan zu offenbaren? Es galt, die Situation gründlich zu analysieren. Falls er der Dämon war, verfolgte er einen viel umfassenderen Plan, als ich es überhaupt in Betracht gezogen hatte. Am leichtesten konnte ich ihn durchschauen, wenn ich ein Teil seines Lebens wurde. Falls er aber nicht der Dämon war, konnte er das Opfer retten, während ich im Hintergrund insgeheim die Dämonin ausschaltete.
Vorübergehend spielte ich auch mit dem Gedanken, ihm überhaupt nichts zu verraten, um völlig sicher zu sein, dass mich niemand störte, wenn ich der Dämonin eine Falle stellte. Dieser William Astrup war der ideale Köder, solange er nichts ahnte und die Polizei sich fernhielt. Dazu war es jedoch zu spät. Als ich Marci eingeweiht hatte, waren auch ihre ethischen Grundsätze ins Spiel gekommen. Sie wollte das Opfer schützen, und das würde sie auf jeden Fall tun, ob ich nun dabei war oder nicht.
»Ich fahre sofort los«, sagte ich.
»Bis gleich.« Sie legte auf, und ich ging zur Tür.
»Ist etwas mit William Astrup passiert?«, fragte Mom.
»Wieso wissen alle außer mir etwas über den Kerl?«
»Was ist denn los?«
»Nichts«, wehrte ich ab. »Ich muss nur schnell zu Marci.«
»Kannst du nicht zuerst aufessen?«
»Nein.« Ich rannte die Treppe hinunter, verließ das Haus durch die Seitentür und fuhr rasch hinüber. Als ich einparkte, ging Officer Jensen gerade zum Streifenwagen, dicht gefolgt von Marci.
»Da ist er schon«, sagte sie, als ich ausstieg. »Hör ihm einfach nur zu.«
»Aber schnell.« Er wandte sich zu mir um. »Anscheinend willst du mir etwas über den Handlanger erzählen.«
»Ja.« In der Aufregung hatte ich Mühe, meine Gedanken zu ordnen. »Sie müssen … ich meine …« Ich wollte ihm natürlich nicht restlos alles anvertrauen, sondern mir Zeit nehmen und alles in Ruhe planen, statt blindlings draufloszustürmen. »Sie wird versuchen, William Astrup zu töten.«
Der Polizist kniff die Augen zusammen. »Wie kommst du denn darauf?«
»Weil sie es auf bedeutende Mitbürger abgesehen hat, die ihrer Meinung nach gesündigt haben«, erklärte ich. »Die Handlangerin ist so etwas wie ein Racheengel. Das ist ein eher seltenes Profil bei Serienmördern, aber in diesem Fall trifft es mit Sicherheit zu. Sie will uns retten oder uns eine Lektion erteilen, uns reinigen oder so. Wenn ein reicher, mächtiger Mann wie Astrup verhaftet wird, entspricht das genau ihrem Muster.«
»Wart mal, woher weißt du …« Er musterte mich, knurrte und wandte sich an seine Tochter. »Marci Elizabeth Jensen, hast du schon wieder gelauscht?«
»Ich hab nicht absichtlich zugehört, es war aber ziemlich laut.«
»Ich habe dir schon hundertmal gesagt, dass du dich nicht in meinen Job einmischen sollst. Wenn irgendjemand von der Verhaftung erfährt …«
»Das wird sowieso herauskommen, ganz egal, was
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