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Wells, ich will dich nicht töten

Wells, ich will dich nicht töten

Titel: Wells, ich will dich nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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Richardson, die Psychologin an der Highschool. Welche war seine Freundin?
    »Ich will nicht kneifen«, antwortete ich. »Ich will nur … ich mag es nicht, wenn mich jemand für verrückt erklärt. Können Sie das nicht verstehen?« Er sollte mich für aufrichtig halten und glauben, es sei mir vor allem peinlich. Leider gelang es mir meist nicht, Gefühle überzeugend darzustellen. Kaufte er es mir ab? »Ich habe noch nie eine Therapie gemacht und habe Angst davor.«
    »Deine Angst ist völlig unbegründet.« Ich versuchte, den Tonfall zu deuten. Beruhigend? Ungeduldig? Ich telefonierte nicht gern, aber manchmal war es der einzige sichere Weg. Er konnte mich nicht sehen oder berühren und hatte keine Ahnung, von wo aus ich anrief. »Sie ist absolut diskret, und niemand wird erfahren, dass du mit ihr gesprochen hast.«
    Ich lächelte. Damit schied die Schulpsychologin aus. Einen Besuch bei ihr hätte ich vor meinen Mitschülern nicht verheimlichen können. Doktor Adams im Krankenhaus war eine seltsame Wahl, da sie auf ganz andere Patienten spezialisiert war, aber das konnte ich für mich nutzen.
    »Bitte«, sagte ich, »ich weiß, dass es nicht der Abmachung entspricht, aber ich … ich habe mir Ihren Rat zu Herzen genommen und bei einer Beraterin im Krankenhaus einen Termin gemacht. Mir ist niemand eingefallen, zu dem ich sonst hätte gehen können. Bitte, lassen Sie mich doch einfach mit ihr reden und rufen Sie nicht die Polizei.«
    Wieder dachte er eine Weile schweigend darüber nach. Er hielt mich für gefährdet, aber da ich mich inzwischen bei der Beraterin gemeldet hatte, zu der er mich sowieso hatte schicken wollen, sah er keinen Grund, die Sache weiter zu verfolgen. Damit konnte ich ihn nicht ewig hinhalten, aber ich gewann immerhin etwas Zeit. Mindestens eine Woche.
    Falls er es mir abkaufte.
    »Herr Pfarrer?«
    »Ja, John, ja. Ich glaube, das geht in Ordnung.«
    Ich schloss die Augen und seufzte erleichtert auf. »Danke.«
    »Wenn du sonst noch etwas brauchst oder wenn du wieder mit mir reden willst, kannst du dich jederzeit an mich wenden.«
    »Danke, Herr Pfarrer. Das ist sehr freundlich.«
    Ich legte auf.
     
    Soziopath oder nicht, mir war klar, dass es dumm gewesen wäre, den Handlanger gleich in den ersten Tagen, seit ich mich wieder mit Marci traf, zur Sprache zu bringen. Also hockten wir schweigend auf dem Sofa und sahen fern, während ich mir auf die Zunge biss und mir alle Mühe gab, nicht über Killer, Leichen und Racheengel zu reden. Als wir an einem regnerischen Sonnabend in ihrem Zimmer Poker spielten, hielt ich es nicht länger aus und legte mein Blatt weg.
    »Wir haben die ganze Woche noch nicht über den Handlanger gesprochen.«
    »Gott sei Dank.« Sie deutete auf meine Karten. »Gehst du mit, oder steigst du aus?«
    »Mal ernsthaft«, sagte ich. »Ich glaube, ich habe den Fall geknackt.«
    Sie runzelte die Stirn. »Weißt du, wer es ist?«
    »Nein, aber mir ist ziemlich klar, warum sie tötet. Außerdem lässt sich wahrscheinlich herausfinden, wer der Nächste ist.«
    Sie starrte ihre Karten an und schwieg eine Weile. Schließlich schüttelte sie den Kopf. »Nein, ich will nicht.«
    »Was?«
    »Ich will nicht wieder damit anfangen. Das ist zu viel für mich. Es geht mir unter die Haut, ich will für keinen Tod mehr verantwortlich sein.«
    »Genau deshalb müssen wir es ja tun«, widersprach ich. »Damit es nicht noch mehr Todesfälle gibt.«
    »Aber die wird es geben«, widersprach sie. »Wir sind doch erst sechzehn, wie sollen wir da einen Killer aufhalten? Außerdem dürfen wir das sowieso nicht – es ist die Aufgabe der Polizei, nicht unsere. Das ist kein Spiel.«
    »Weißt du, warum Mr Colemans Tod unsere Schuld war?«
    »Bei allem, was mir heilig ist, nein.«
    »Weil der Handlanger Sünder bestraft«, fuhr ich fort. »Wir haben einen Sünder bloßgestellt, deshalb wurde er zum Ziel. Es sind nicht einfach nur irgendwelche Sünder, sondern Menschen in Machtpositionen. Führende Mitglieder der Gemeinde wie Pfarrer, Lehrer und Politiker.«
    »John …«
    Ich ließ mich nicht beirren. »Es wird mit jedem Angriff schlimmer. Weißt du noch, dass Bürgermeister Robinson siebenunddreißig Stichwunden im Rücken hatte? Coleman hatte vierundsechzig.«
    »Bitte hör auf.«
    »Vierundsechzig«, wiederholte ich. »In anderthalb Wochen läuft unsere Zeit ab, und dann wird sie den nächsten Sünder vernichten. Jemanden, der wichtig ist und in der Öffentlichkeit steht, damit wir auch alle die

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