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Wells, ich will dich nicht töten

Wells, ich will dich nicht töten

Titel: Wells, ich will dich nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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erwiderte der Reporter. »Kommen Sie doch einfach mit.«
    »Ja, gern. Also bis heute Abend um neun.«
    »Ja, bis dann …«
    »Oh, Moment«, sagte ich, bevor er auflegte. »Ich glaube, ich habe Ihren Namen nicht verstanden.«
    »Äh, Harry«, sagte der Reporter. »Harry Poole.«
    »Schön. Bis heute Abend, Mister Poole.«
    Ich war schon viel zu lange hier unten, Max würde sicher bald misstrauisch werden. In einem kleinen Fach in der Safetür fand ich einen Schalldämpfer, und ich probierte nacheinander alle Waffen, bis ich eine Pistole fand, auf die er passte. Ich schraubte beide Teile zusammen und steckte sie hinter den Gürtel. Dann stopfte ich mir verschiedene Patronenschachteln in die Hosentaschen, um sicher zu sein, dass ich die richtigen erwischt hatte. Das Gewicht zog mir fast die Hose hinunter, doch mein T -Shirt war lang und verdeckte die gefüllten Taschen ganz gut. Ich verriegelte den Safe, schloss die Tür des Heizungsraums und spülte für alle Fälle die Toilette, bevor ich nach oben ging.
    »Das hat aber gedauert«, murmelte Max, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden.
    »Ja.« Ich lehnte mich an die Wand und achtete darauf, dass die Waffe verborgen blieb. »Ich muss gehen.«
    Er blickte unverwandt zum Fernseher, stopfte sich Chips in den Mund, kaute und schluckte sie hinunter. »Dachte ich mir schon.«
    »Wir sehen uns.«
    »Aber klar.«
    Ich öffnet die Tür, trat hinaus, hielt inne und blickte noch einmal zurück. Bis auf das blaugraue Flackern des Fernsehers war das Wohnzimmer dunkel. Max war kaum zu erkennen, im Zwielicht wirkte er ausgelaugt und hager. Fast wie eine Leiche. Mechanisch bewegte sich der Unterkiefer, die Augen waren dunkel und fast leblos. Ich schloss die Tür.
    Max war mit dem Leben fertig, er hatte aufgegeben. Von da ab war es nur noch ein kleiner Schritt bis zu dem Entschluss, dem Leben freiwillig ein Ende zu setzen.
     

ACHTZEHN
     
    Phase vier: Mom aus dem Haus bekommen. Als ich zurückkehrte, saugte sie gerade Staub in der Kapelle der Leichenhalle. Ich versteckte die Pistole im Auto, flitzte ins Büro und schloss die Tür hinter mir.
    »Hallo, Lauren.«
    Überrascht blickte meine Schwester vom Bürocomputer auf und lächelte. »Hallo, John, du bist ja früh wieder da.«
    »Ein paar Stunden sind ausgefallen«, erklärte ich. »Lehrerfortbildung oder so was. Keine Ahnung.«
    »Mann, solche Schultage haben mir auch gefallen.« Sie tippte weiter.
    »Und mir erst«, stimmte ich zu. Ich fragte mich, wann ich wieder Zeit für die Schule hätte. »Wie läuft es denn so?«
    »Wie jeden Tag in der Leichenhalle.« Sie behielt den Bildschirm fest im Blick und tippte wie besessen. »Ich mache gerade die Unterlagen für deine Freundin Rachel fertig. Anscheinend wird sie morgen geliefert.«
    Ich seufzte. »Davon habe ich wahrscheinlich nicht viel. Beim letzten Mädchen durfte ich Mom nicht helfen.«
    Lauren schnitt eine Grimasse. »Es waren doch Freundinnen von dir, oder? Ist dir da nicht mulmig zumute?«
    »Überhaupt nicht«, erwiderte ich. »Es ist ein Job wie jeder andere. Wir ehren die Toten und verschaffen ihnen den besten Abgang, der uns möglich ist. Außerdem hat Mom mich nicht ausgesperrt, weil es eine tote Freundin war, sondern weil es eine nackte Sechzehnjährige war.«
    »Das ist so ziemlich das Gruseligste, was du je gesagt hast.« Sie hielt inne und schnitt wieder eine Grimasse, dann schüttelte sie sich, als hätte sie gerade etwas Widerliches gegessen. »Eklig. Bäh.«
    Ich lächelte. »Ich habe doch eine lebendige Freundin, wozu brauche ich da eine tote?«
    Lauren hielt sich die Ohren zu. »Ich kann das gar nicht hören!« Mein Lächeln wurde breiter, ich genoss ihr Unbehagen und schwieg, und nach einer Weile ließ sie die Hände wieder sinken.
    Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück. »Eigentlich mache ich mir eher Sorgen um Mom«, sagte ich. »Ich glaube, das setzt ihr alles ganz schön zu.«
    »Ich weiß, was du meinst«, bestätigte Lauren. »In letzter Zeit kommt sie mir ziemlich fertig vor.«
    »Es wird Zeit, etwas zu unternehmen.«
    Lauren beugte sich vor. »Da bin ich aber neugierig – was hast du dir denn vorgestellt?«
    »Ich dachte, du könntest mit ihr ins Kino gehen.«
    Lauren warf den Kopf zurück und streckte die Zunge heraus. »Ich krieg die Krise.«
    »Ich mein’s ernst. Sie will so gern mal was mit dir machen, und selbst wenn du nur einen Abend mit ihr verbringst, kommen ihr schon die Tränen.«
    »Dadurch wird es für mich auch nicht

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