Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wells, ich will dich nicht töten

Wells, ich will dich nicht töten

Titel: Wells, ich will dich nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
Vom Netzwerk:
nach die Türen – Max’ Zimmer, das Bad, der Heizungskeller, ein Lagerraum …
    Wart mal, da hinten im Heizungskeller. Ich öffnete die Tür noch einmal und schaltete die Deckenleuchte ein, die jedoch nur ein bleiches Licht spendete. Im Halbdunkel zeichneten sich große nackte Betonblöcke ab, davor standen der Heizkessel mit dem Brenner, ein Warmwasserspeicher und ein Wasserenthärter, alles mit einem Geflecht aus gewundenen Rohren und Schläuchen verbunden. Ganz hinten entdeckte ich noch einen hohen schwarzen Schatten, der im schwachen Licht metallisch schimmerte. Ein Waffenschrank.
    Ich näherte mich und duckte mich unter den Leitungen hindurch, die unter der Decke verliefen. Der Schrank war schwarz und wuchtig, als bestünde er aus Gusseisen, doch er war sicherlich aus gehärtetem Stahl gefertigt. Rings um die Ecken liefen rote Zierstreifen, und mitten in der Tür saß ein silbrig glänzender Griff. Darüber, in einen Metallring eingelassen, befand sich ein Ziffernblock.
    Mist.
    Ich wackelte am Griff, doch er war gesperrt. Dann starrte ich den Ziffernblock an, als könne er mir einen Hinweis darauf geben, wie er zu knacken war, doch ich fand natürlich nichts. Max’ Dad und nicht seine Mom hatte Waffen gesammelt. Ich musste mich in ihn hineinversetzen, als würde ich ein Profil erstellen. Ich hielt inne. Nein, ich musste mich in sie hineinversetzen, denn sie hatte jetzt das Sagen. Waren ihr die Waffen wichtig? Nein, die Kinder waren ihr wichtig. Sie schloss nicht ab, weil sie Einbrecher fürchtete, sondern damit Audrey sich nicht aus Versehen selbst erschoss. Sie hatte keine Zeit, sich mit Waffen zu beschäftigen, die sie sowieso nicht benutzte. Also prägte sie sich die Kombination nicht ein, und das bedeutete, dass die Nummernfolge irgendwo notiert war. Vielleicht ganz in der Nähe. Ergebnislos suchte ich den Boden hinter dem Schrank und einige Wandregale ab. Wo würde ich eine Safekombination vor einer Achtjährigen verstecken? Ich lächelte, als es mir einfiel. Oben auf einem ziemlich hohen Safe. So leise wie möglich zog ich einen Eimer heran, stellte mich auf die Zehenspitzen und tastete auf dem Waffenschrank herum …
    Das Handy klingelte, ich erschrak, verlor das Gleichgewicht und musste rückwärts vom Eimer hinuntersteigen. An der Wand konnte ich mich abstützen und erst einmal Luft holen. Wieder klingelte das Telefon. Ich zog es aus der Tasche, konnte aber keine mir bekannte Nummer erkennen. Schon wieder eine alte Dame. Ich wollte das Gespräch nicht annehmen, doch es läutete beharrlich, und schließlich musste ich befürchten, dass auch Max es hörte. Mir blieb nichts anderes übrig.
    »Hallo?«
    »Hi«, sagte ein Mann. »Ist da die Saint Mary’s Cathedral?«
    »Ja, da sind Sie richtig.« Die Stimme klang seltsam – durchaus freundlich und gut aufgelegt, das war leicht zu erkennen, aber da war noch etwas anderes. Was entging mir da? Warum fiel es mir so schwer, den Tonfall einzuordnen?
    »Ja«, wiederholte ich langsam. Er sollte unbedingt weiterreden. »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Das können Sie ganz bestimmt.« Ich erkannte einen Akzent von der Ostküste, vielleicht Boston oder New York. Mit Akzenten kannte ich mich nicht gut aus, aber er hatte einen, so viel war sicher. Genau wie ich es vorhergesagt hatte, nachdem der Handlanger nicht mit Ashley gesprochen hatte. »Ich möchte Pfarrer Erikson sprechen.«
    Aus Georgia kam er nicht, aber das passte ins Bild. Deshalb wurde niemand misstrauisch, wenn er anrief. Niemand außer mir. War ich paranoid, oder traf das Profil, das ich erstellt hatte, tatsächlich zu?
    »Er ist im Moment leider nicht zu sprechen«, erwiderte ich und überlegte mir gleichzeitig, wie ich ihn bewegen konnte, weiter mit mir zu reden. »Ich bin sein Assistent. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?« Hatten katholische Priester überhaupt Assistenten?
    »Seit wann hat er einen Assistenten?«, fragte der Anrufer. Verdammt, anscheinend durfte er keinen haben.
    »Wir sind eine große Gemeinde«, erklärte ich. »Er hat mich gebeten, Verschiedenes zu koordinieren, Termine zu vereinbaren und so weiter.« Wenn ich Zeit hatte, mich vorzubereiten, war ich ein viel besserer Lügner.
    »Verstehe«, erwiderte der Mann. »Sie wissen nicht zufällig, wann ich ihn sprechen kann?«
    »Das kommt drauf an, worüber Sie mit ihm sprechen wollen.« Leise stieg ich wieder auf den Eimer. »Sagen Sie mir doch einfach, was Sie wollen, vielleicht kann ich Ihnen helfen.« Dieses Mal hatte ich mehr

Weitere Kostenlose Bücher