Welt im Fels
einem Aufschrei hob der Greis beide Fäuste und schlug kraftlos auf Chimal ein, um ihn zum Schweigen zu bringen. Chimal packte die Handgelenke des alten Mannes und hielt sie fest, obwohl der Priester sich loszureißen versuchte. Die entsetzten Augenzeugen kamen hereingerannt, um dem Oberpriester beizustehen. Sobald sie ihn berührten, ließ Chimal dessen Hände los und trat spöttisch lächelnd zurück.
Da geschah es. Der alte Mann hob seine Arme noch einmal, riß den Mund weit auf, brachte aber keinen Ton heraus.
Mit einem Wimmern stürzte der Priester hintenüber, als hätte man ihm die Füße weggerissen. Sein Kopf schlug mit dumpfem Knall auf den Steinboden, und er blieb reglos liegen, seine Augenlider halb geöffnet, während sich auf seinen Lippen eine Schaumblase bildete.
Die anderen Priester eilten an seine Seite, hoben ihn auf, und Chimal wurde von einem von ihnen von hinten mit einer Keule niedergeschlagen. Obwohl Chimal bewußtlos war, ließen sich die Priester nicht davon abhalten, seinen leblosen Körper zu treten, bevor sie ihn ebenfalls wegtrugen.
7.
»Es sieht so aus, als ob der alte Citlallatonac sehr krank wäre«, sagte der Priester leise, als er die verrammelte Tür zu Chimals Zelle überprüfte. Sie war durch zwei schwere Pfähle versperrt, die in Löchern in der steinernen Türöffnung steckten und dicker als die Beine eines Mannes waren. Sie wurden von einem noch schwereren, gekerbten Balken in ihrer Lage festgehalten, der außer Reichweite des Gefangenen an der Wand festgepflockt war; er ließ sich nur von außen abnehmen. Nicht daß Chimal die Möglichkeit gehabt hätte, es zu versuchen, denn seine Hand- und Fußgelenke waren mit unzerreißbaren Maguey-Fasern zusammengebunden.
»Du hast ihn krank gemacht«, fügte der junge Priester hinzu, während er an den schweren Balken rüttelte. Er und Chimal hatten zusammen die Tempelschule besucht. »Ich weiß nicht, warum du das getan hast. Du hast schon in der Schule Ärger gemacht, aber ich dachte nie, daß du am Ende so etwas tun würdest.« Wie als Interpunktion stach er mit seinem Speer zwischen den Pfählen durch in Chimals Hüfte. Chimal rollte sich zur Seite, als die Obsidianklinge in seine Muskeln fuhr und Blut aus der Wunde trat.
Der Priester ging, und Chimal war wieder allein. Hoch oben in der Wand war ein enger Schlitz, der ein wenig Sonnenlicht einließ.
Sie kamen alle, einer nach dem anderen, als sich die Nachricht in den Dörfern verbreitete.
Sie bildeten eine dichte Menge um die Basis der Pyramide, schrien durcheinander und versuchten das Neueste voneinander zu erfahren. Der Lärm verstummte erst, als ein Priester oben aus dem Tempel kam, mit erhobenen Händen Ruhe gebot und langsam die Stufen herabschritt. Sein Name war Itzcoatl, und er war der Leiter der Tempelschule. Er war ein strenger, großer Mann in mittleren Jahren, mit verfilztem Blondhaar, das über die Schultern herabfiel.
»Citlallatonac ist krank«, rief er, und ein leises Stöhnen ging durch die Menge.
»Was für eine Krankheit hat ihn so schnell niedergeworfen?« rief einer der Sippenältesten von unten.
Itzcoatl antwortete nicht sofort. »Es war ein Mann, der mit ihm kämpfte«, sagte er schließlich. Schweigen legte sich über die Menge. »Wir haben den Mann eingesperrt, so daß wir ihn später verhören und dann töten können. Er ist von einem Dämon besessen. Er hat Citlallatonac nicht geschlagen, aber es ist möglich, daß er ihn behext hat. Der Name des Mannes ist Chimal.«
Die Menge summte bei dieser Mitteilung aufgeregt wie ein Bienenschwarm und teilte sich dann. Die Leute standen immer noch dicht gedrängt, sogar noch dichter jetzt, das sie sich von Quiauh entfernten, als ob ihre Berührung giftig wäre.
So verging der Tag. Die Sonne stieg höher, und die Leute harrten aus. Quiauh blieb auch, aber sie verzog sich an den Rand der Menge, wo sie allein sein konnte; niemand sprach mit ihr oder sah sie auch nur an.
Gegen Abend wurde gemeldet, daß der Oberpriester das Bewußtsein wiedererlangt habe, aber immer noch krank sei. Er könne seine rechte Hand und sein rechtes Bein nicht bewegen und nur mit Mühe sprechen. Die Spannung in der Menge wuchs, als die Sonne sich rötete und hinter den Bergen versank. Als sie verschwunden war, gingen die Leute aus Zaachila widerwillig in ihr Dorf zurück. Sie mußten vor Einbruch der Dunkelheit über den Fluß sein, denn dann kam Coatlicue heraus. Sie würden also nicht wissen, was im Tempel geschah, aber
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