WELTEN-NEBEL
zu meiner Verantwortung stehen. Ich werde mich bemühen, dir ein guter Ehemann zu sein. Du wirst dich immer auf mich verlassen können. Ich werde alles tun, um dich glücklich zu machen.“
Warum sagte er all dies? Sie wollte nicht, dass er ihr aus Pflichtgefühl irgendetwas versprach, was er später bereuen würde.
„ Du brauchst mir keine Versprechungen zu machen. Ich bin sicher, wir finden ein Arrangement, mit dem wir beide leben können.“
„ Ich will kein Arrangement. Ich möchte dich als Frau an meiner Seite. Ich liebe dich, Süylin.“
Noch bevor sie irgendetwas erwidern konnte, war er aus dem Zimmer geflohen. Sie blieb zurück, glücklich, verwirrt, zweifelnd. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Hatte er das ernst gemeint?
Er hätte es ihr nicht sagen sollen, es war nicht richtig gewesen. Dabei entsprach jedes seiner Worte der Wahrheit. Noch nie war er so ehrlich zu einem Menschen gewesen, hatte noch nie etwas so sehr gemeint wie diese Worte. Ihm war es selbst nicht bewusst gewesen bis zu dem Moment, in dem er das 'Ich liebe dich' über die Lippen brachte. Er liebte diese Frau wirklich, aus tiefstem Herzen und mit aller Kraft. Er hatte nicht gewusst, dass er zu solch intensiven Gefühlen überhaupt fähig war. In Gedanken durchlebte er nochmals all die Momente, in denen er Süylin nahe gewesen war. Und ja, dieses Gefühl der Anziehung, der innigen Verbundenheit und der Zuneigung war von Anfang an da gewesen. Unmerklich hatte es an Stärke gewonnen, hatte Ausdruck gefunden in seinem Handeln und schließlich in seinen Worten. Er liebte Süylin.
Nichtsdestotrotz hatte er ihr wehgetan. Er hatte gesehen, wie sie ob seines Liebesgeständnisses erstarrt war. Er hätte es einfach nicht sagen dürfen. Seine ersten Sätze, ja, die waren richtig gewesen. Die hatte er geplant, hatte ihr damit die Unsicherheit nehmen wollen. Doch mit nur einem unbedachten Satz hatte er alles zerstört. Sie hatte von einem Arrangement gesprochen, wollte ihre Ehe frei von Gefühlen halten. Und er hatte nichts Besseres zu tun, als ihr seine Gefühle aufzudrängen. Wie sollte sie damit leben, dass er ihr Gefühle entgegenbrachte, die sie nicht erwiderte?
Ohne es zu merken, hatte er das Haus verlassen. Er wanderte ziellos durch die nächtlichen Straßen Bellans. Er erreichte den Rand der Stadt. Am liebsten wäre einfach weitergelaufen, fort von hier. Doch das konnte er nicht tun. Er hatte ein Versprechen gegeben. In seinem Leben hatte er unzählige Versprechen gebrochen, doch dieses würde er nicht brechen. In dem Moment, in dem er in die Ehe eingewilligt hatte, hatte er sich dies geschworen. Er würde Süylin heiraten, sofern sie ihn noch wollte. Vielleicht gelang es ihm irgendwie, sie seine Worte von vorhin vergessen zu machen.
Sie hatte geglaubt, in dieser Nacht keinen Schlaf finden zu können. Am liebsten wäre sie Rihnall sofort hinterhergelaufen, doch ihr fehlte einfach die Kraft dazu. Die Aufregung des Tages war zu viel für sie gewesen, sie war verwirrt, überwältigt von ihren Gefühlen und seinen. Weinend hatte sie auf ihrem Bett gekauert, bis sie schließlich vor lauter Erschöpfung eingeschlafen war.
Jetzt, im Licht des neuen Morgens, erkannte sie, wie wenig Grund sie doch für Tränen gehabt hatte, außer vielleicht für Freudentränen. Schließlich hatte er ihr gesagt, was zu hören sie nie zu hoffen gewagt hatte. Und sie zweifelte nicht an seiner Aufrichtigkeit. Seine Reaktion, die eigene Überraschung über seine Worte, hatte Bände gesprochen. Schnell richtete sie ihr Kleid. Eigentlich hätte sie ein frisches anziehen sollen, denn an diesem klebte noch der Staub ihrer Reise, doch die Zeit wollte sie sich nicht nehmen. Da es noch früh war, bemühte sie sich, so leise wie möglich durch das Haus zu laufen. Sie wollte Atella und Tew nicht wecken. Als sie dann vor Rihnalls Tür stand, zögerte sie kurz, klopfte dann zaghaft. Als keine Reaktion erfolgte, öffnete sie die Tür einen Spaltbreit.
Das Bett war leer, wirkte unberührt. Auch der Rest des Zimmers wirkte verlassen. Wo war er? War er etwa gegangen? Einen kurzen Moment lang fürchtete sie, er sei vor seinen eigenen Gefühlen davongelaufen. Dann aber bemerkte sie, dass seine Sachen noch da waren. Selbst in größter Aufregung würde er wohl kaum seine sämtlichen Besitztümer zurücklassen.
Während sie noch über seinen Aufenthaltsort nachgrübelte, vernahm sie Schritte. Sie drehte sich um und blickte in Rihnalls Gesicht, und ihr war, als
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