WELTEN-NEBEL
liebte ihn.
„ Erinnerst du dich an unser erstes Gespräch, damals auf dem Schiff?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er fort. Er redete schnell, ganz so, als wolle er es hinter sich bringen. „Als ich dir damals erzählte, ich hätte Gal verlassen, weil mich das Abenteuer lockte, so war dies gelogen. Vielmehr bin ich geflohen. Ich wurde steckbrieflich gesucht.“
„ Warum?“
„ Wegen diverser Betrügereien, hauptsächlich wegen Heiratsschwindels. Es war meine Art, meinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Ich bin eine Waise, aufgewachsen in den Armenvierteln der Hauptstadt. Ein ehrlicher Beruf hätte mir nie einen solchen, wenn auch bescheidenen Wohlstand ermöglicht. Doch dies liegt nun hinter mir. Seit ich dich kenne, habe ich keine unredliche Tat mehr begangen, das schwöre ich dir. Auch werde ich nie wieder etwas Unrechtes tun.“
Er machte eine Pause, sah sie erwartungsvoll an. Sie brauchte einen Moment, bevor sie den Inhalt seiner Worte vollends erfasst hatte. Dann aber beschlich sie ein Verdacht, den sie nicht abzuschütteln vermochte. „Bitte sag mir die Wahrheit, sollte ich dein nächstes Opfer werden?“
Kurz überlegte er, sie zu belügen. Doch er wollte ihr gemeinsames Leben nicht auf einer Lüge begründen. Er hoffte, sie durch seine Offenheit nicht zu verlieren. „Anfangs habe ich mit dem Gedanken gespielt, doch als mich deine Verwandten so großzügig aufnahmen und ich dich immer besser kennenlernte, verwarf ich diesen Plan. Als ich erkannte, was für ein wundervoller Mensch du bist, konnte ich es einfach nicht tun.“
Ihr Gesicht offenbarte ihre Zweifel, ihre widerstreitenden Gefühle. Er fuhr fort: „Ich hoffte, in den Ruinen auf einen Schatz zu stoßen, der jeden weiteren Betrug überflüssig machen würde. Und selbst wenn nicht, so wollte ich mein Brot lieber als ehrlicher Tagelöhner verdienen, als jemals wieder einen Betrug zu begehen. Du hast einen besseren Menschen aus mir gemacht. Kannst du mir vergeben?“
Er musste lange auf ihre Antwort warten. Vor Aufregung vergaß er fast zu atmen. Die Spannung war beinahe unerträglich.
„ Ich kann dir verzeihen, dass du mich betrügen wolltest. Von den anderen Dingen kann ich dich jedoch nicht freisprechen, das können nur die Opfer. Aber ich liebe dich so sehr, dass ich auch deine düstere Vergangenheit akzeptieren kann.“
Eine enorme Last wurde von seinem Herzen genommen. Überglücklich wollte er sie in die Arme nehmen und ihr danken. Doch der Ausdruck ihres Gesichtes ließ ihn innehalten. Ein unausgesprochenes Aber schwebte im Raum. Verunsichert wartete er darauf, dass sie es aussprach.
Er war ehrlich zu ihr gewesen und sie hatte ihm verziehen. Hoffentlich zeigte er sich ihr gegenüber ebenso großzügig. Schließlich hatte auch sie eine große Lüge zu beichten. Zaghaft begann sie: „Auch ich muss dir etwas gestehen. Bitte lass mich ausreden, bevor du etwas sagst. Ich habe ebenfalls gelogen. Tew und Atella sind nicht mein Onkel und meine Tante, ebenso wenig sind meine Eltern tot. Sie leben noch immer in Gal. Ich bin von Zuhause fortgelaufen, um einer unliebsamen Heirat zu entgehen, die meine Eltern aus egoistischen Motiven für mich arrangiert hatten.“
Sie war fortgelaufen? Das war keine große Sache, wahrscheinlich taten dies jedes Jahr etliche junge Frauen. Er hatte Gerüchte gehört, dass sogar eine Prinzessin dies getan hatte. Eine Prinzessin? Süylin? Allmählich glaubte er zu verstehen, was sie ihm beizubringen versuchte. Er kam ihr mit seiner Frage zuvor. „Du bist die verschwundene Prinzessin Süylin, oder?“
„ Ja. Und deshalb ist unsere Verbindung mit gewissen Risiken für dich verbunden. Ich weiß nicht, ob ich noch immer gesucht werde. Ebenso wenig vermag ich zu sagen, was geschieht, wenn mich meine Eltern finden. Es könnte unangenehme Konsequenzen für dich haben. Es tut mir leid, dass ich dir nicht schon früher die Wahrheit gesagt habe.“
Auch wenn ihr Geständnis ihn überrascht hatte, es verunsicherte ihn nicht im Mindesten. Er liebte sie, Prinzessin oder nicht. Und das sagte er ihr, was sie ihm mit einem zärtlichen Kuss vergalt.
Nun, da alle Geheimnisse der Vergangenheit ausgeräumt waren, konnten sie sich endlich der Zukunft zuwenden. Doch für diesen Abend hatten sie genug geredet, morgen erst würde er die Sprache auf die Ruinen bringen. Fast hatte er sie ob seines Liebestaumels vergessen, doch noch immer schlichen sie sich in seine Träume. Sein Sehnen danach wurde von seiner Liebe
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