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WELTEN-NEBEL

WELTEN-NEBEL

Titel: WELTEN-NEBEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Buchmann
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lüften. Es hatte ihn geschmerzt, sie so niedergeschlagen zu sehen. Als er ihr daraufhin von der Meditationstechnik, die er ihr beizubringen gedachte, berichtet hatte, war jedoch Hoffnung in ihren Blick getreten. Sie hatte ihn gedrängt, sofort damit zu beginnen. Es war ihm schwergefallen, ihre Erwartungen zu dämpfen. Diese Technik, so nützlich sie auch sein konnte, garantierte keinen Erfolg. Es wäre lediglich ein Versuch. Davon hatte sich Zada jedoch nicht entmutigen lassen und ihm weiter zugesetzt, sodass er schließlich eingewilligt hatte, noch am selben Abend zu beginnen. Gerne hätte er es gesehen, wenn seine Tochter sich nach der letzten Nacht noch etwas ausgeruht hätte, aber er konnte ihr Drängen nachvollziehen.  
     

    Der Tempel war ihr die geeignete Umgebung für ihre Bemühungen erschienen. Sie hatten auch Mawen und Ruwen hinzu gebeten, damit diese etwaige Fortschritte sogleich notieren konnten. Die beiden saßen etwas abseits und beobachtet, die Schreibgeräte jedoch stets griffbereit. Der Morgen nahte und sie hatten zu ihrem Verdruss noch nichts erreicht. Zwar war es ihr leicht gefallen, die Technik des meditativen Erinnerns nach Anleitung ihres Vaters zu erlernen, doch so sehr sie sich bemühte, es gelangten nur Erinnerungen an die Oberfläche, die nach ihrem sechsten Geburtstag lagen.
    Sie war nahe daran aufzugeben, sie war müde und ausgelaugt. Die Gedanken unterbrachen ihre Konzentration und sie erhob sich, um ihre steifen Glieder zu strecken. Dabei streiften ihre Blicke den Heiligen Würfel. Warum fiel ihr das erst jetzt ein? Sie trat dicht an den schwarzen Steinwürfel heran und versenkte sich erneut in die Meditation. Dann ließ sie ihre Hand über die von Zeichen durchzogene Oberfläche wandern. Sie spürte, wie die Worte aus ihr herausströmten, doch diesmal ergaben sie einen Sinn. Ihre Hand stellte die Wanderung über den Stein ein, berührte ihn nur noch leicht, und ohne dass sie es verhindern konnte, bahnte sich eine Melodie den Weg in ihren Kopf und von dort über ihre Lippen.
    Sie sang alle auf dem Heiligen Würfel verzeichneten Zeilen und sie verstand. Vor ihrem inneren Auge stieg das Bild einer Frau auf, die ein etwa vierjähriges Kind auf dem Schoß hielt. Zada war, als blicke sie in einen Spiegel. Die Frau hatte das gleiche braune Haar, die gleichen brauen Augen und eine ebenso zierliche Statur wie sie selbst. Sie hätte ihr Zwilling sein können. 'Meine Mutter!', schoss es ihr durch den Kopf, während sie noch immer das Lied sang, welches in ihrem Herzen ein Gefühl von Heimat zum Klingen brachte. Nach und nach zogen weitere Bilder an ihr vorbei. Ein lachender Mann, in dem sie ihren Vater zu erkennen glaubte, ein kleines Haus an einer stürmischen Küste, ein kleiner weißer Vogel, der durch Seegras hüpfte.
     
     

     
     

    Voller Staunen lauschte Mawen der Priesterin, deren Stimme den ganzen Tempel füllte. Er erkannte, dass die Worte des Liedes der Inschrift des Heiligen Würfels entsprachen. Ihre Augen waren geschlossen. Ihr Vortrag war von einer Ausdruckskraft und Lebendigkeit, die nur ein Sänger hervorbringen konnte, der den Sinn des Liedes verstand. Als der Gesang endete, war es eine Weile still im Tempel. Auch Mawen wagte nicht, etwas zu sagen, obgleich er unzählige Fragen hatte. Endlich brach Zada das Schweigen: „Das Lied, es erzählt eine Legende meiner Heimat.“
„Heißt das, Ihr kommt nicht aus Cytria?“, fragte Mawen.
„Nein, mein Heimatland heißt Helwa.“
    „ Aber wie ist das möglich?“, wollte Ruwen wissen.
    „ Es waren wohl die Götter, die mein Boot vor mehr als zwölf Jahren an Eure Küste gespült haben. Wie genau dies geschehen ist und wie lang meine Fahrt übers Meer war, vermag ich nicht zu sagen. Daran habe ich keine Erinnerung. Aber viele andere Dinge sind aus dem Nebel, der meine Kindheitserinnerungen umgibt, aufgetaucht. Ich erinnere mich an meine Eltern, mein Heim, meine Muttersprache.“
    „ Bedeutet das, Ihr könnt den Text des Liedes verstehen?“, hakte Mawen nach.
„Ja. Es handelt von dem Helden Megev, der vor Jahrtausenden auf seinen Fahrten über das Meer die fünf Nachbarreiche Helwas entdeckte. Außerdem erzählt es von dem Goldenen Zeitalter, das der Entdeckung folgte, eine Zeit von Frieden, Handel und Wohlstand. Die letzte Strophe berichtet, wie die Götter die sechs Reiche im Zorn voneinander trennten.“
    Mawen fragte: „Meint Ihr, das Lied beruht auf Tatsachen?“
    „ Sicher ist es in mancherlei Hinsicht ungenau, aber

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