WELTEN-NEBEL
einen wahren Kern muss es haben, sonst hätten uns die Götter dies“, Zada zeigte auf den Heiligen Würfel, „nicht geschickt und mich nicht in Euer Land gebracht.“
Obgleich er selbst viele Fragen über die Herkunft seiner Tochter hatte, hatte er sich zurückgehalten. Sicher würde es Zada schnell zu viel werden. Sie hatte in den letzten Minuten so viel Neues über sich erfahren. Sie brauchte Zeit, dies zu verarbeiten. Daher bat er nun auch die Gelehrten, ihre Fragen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Dann ging er zu seiner Tochter und schloss sie in die Arme. Er hielte sie einfach nur fest und spürte, wie ihre anfängliche Euphorie über die Entdeckung ihrer Herkunft nachließ und die Erschöpfung sich Bahn brach. „Ich bin so müde“, sagte sie leise. Daraufhin nahm Tharet seine zierliche Tochter, die ihm auch als Erwachsene kaum bis zur Brust reichte, einfach auf den Arm und trug sie in ihr Quartier im Tempelbezirk.
Nachdem ihr Vater sie zu Bett gebracht hatte, schlief sie fast den ganzen Tag. Als Yerina gegen Abend nach ihr schaute, erwachte sie von Klappen der Tür. Nun saß die Oberpriesterin an ihrem Bett. Zada setzte auf, fühlte sich aber noch zu schwach, um aufzustehen. Da die Oberpriesterin schwieg, begann sie stockend zu erzählen, was in der Nacht geschehen war.
Yerina hörte konzentriert zu, obwohl sie sicher schon mit Tharet gesprochen hatte. Erst als Zada geendet hatte, sagte sie: „Wie es scheint, haben die Götter etwas Besonderes mit Euch vor. Daher werde ich Euch von Euren Pflichten gegenüber dem Tempel freistellen, solange es nötig ist. Ihr werdet alle Unterstützung bekommen, die wir Euch bieten können.“
„Ich danke Euch. Aber ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Was erwarten die Götter von mir?“
„ Das kann ich Euch leider auch nicht beantworten, aber ich halte es für das Beste, wenn Ihr mit Mawens Hilfe die Inschrift des Heiligen Würfels übersetzt. Vielleicht enthält sie irgendwelche Hinweise. Jetzt werdet Ihr Euch erst mal ausruhen, sonst bekomme ich Ärger mit Euren Eltern. Die erwarten uns übrigens zum Essen. Kleidet Euch an, ich warte draußen auf Euch.“
Jahr 3619 Mond 4 Tag 12
Aaran
Nach den Enthüllungen im Tempel hatte Mawen es kaum erwarten können, endlich den Text zu übersetzen. Dazu brauchte er jedoch Zadas Hilfe. Er musste sich also gedulden, bis diese sich von der Nacht erholt hatte. Heute aber würden sie mit ihrer gemeinsamen Arbeit beginnen können. Er beendete seinen Morgenspaziergang und kehrte in seine Gemächer zurück, um dort auf die junge Priesterin zu warten.
Die Arbeit mit Mawen gestaltete sich unerwartet angenehm. Obgleich der junge Gelehrte sichtbar darauf brannte, die Übersetzung fertigzustellen, drängte er sie nicht, sondern gab sich geduldig und dankbar für ihre Hilfe. Er ließ ihr die Zeit, die sie brauchte, die Bedeutung eines jeden Wortes zu ergründen. Bisweilen erforderte es etwas Konzentration, um eine gute Übersetzung zu finden. Obgleich sie ihre Fähigkeit, Helwarisch zu verstehen und zu sprechen in vollem Umfang wiedererlangt hatte, fiel es ihr nicht immer leicht, die entsprechenden Worte auf Cytrian zu finden. Zwischendurch schweiften sie auch häufig ab, denn Mawen stellte ihr immer wieder Fragen zum Inhalt der Legende und zu Helwa im Allgemeinen. Daher kamen sie langsam voran. Am Abend hatten sie die erste Strophe des Liedes übersetzt. Dennoch war sie zufrieden, denn die Arbeit machte ihr Spaß und half ihr, zu verarbeiten, was sie über ihre Vergangenheit erfahren hatte.
In den folgenden Tagen kamen sie gut voran, am fünften gelang es ihnen, die Übersetzung der Legende fertigzustellen.
„ Gut, das war die letzte Strophe des Liedes. Habt Ihr noch irgendwelche Fragen?“ Zada sah, dass ihre Worte Mawen verwirrten.
„ Seid Ihr sicher, dass es das Ende ist. Was ist mit der sechsten Seite des Würfels?“
„ Ich weiß es nicht, lasst es uns anschauen.“
Mawen zog das entsprechende Pergament heraus und begann, es vorzulesen.
„Dies gehört nicht zum Lied. Es geht darum, was zu tun ist, um die Einheit der Länder wieder herzustellen.“
Gemeinsam machten sie sich daran, die letzte Passage zu übersetzen. In ihrem Eifer merkten sie nicht, wie es Nacht wurde. Als der Morgen dämmerte, legte Mawen die Feder beiseite. Sie hatten die Übersetzung beendet. Während der Inhalt des Liedes wenig überraschend gewesen war, hatte der Inhalt der letzte
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