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WELTEN-NEBEL

WELTEN-NEBEL

Titel: WELTEN-NEBEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Buchmann
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mühelos zu Schlussfolgerungen, die sie selbst nicht hatte ziehen können? Waylens Überlegenheit und die Art, wie er sie zur Schau gestellt hatte, ließ sie wütend werden, und ehe sie es sich versah, stand sie Waylen gegenüber und begann, ihn zu beschimpfen: „Was fällt Euch ein, einfach Entscheidungen für mich zu treffen? Auf keinen Fall werden wir morgen aufbrechen. Wir werden so lange hierbleiben, wie ich es für richtig halte. Vergesst nicht, dass Ihr mein Angestellter seid, folglich werdet Ihr tun, was ich möchte. Verstanden?“
    Ohne eine Antwort abzuwarten, stapfte sie davon, kehrte zum schwarzen Würfel zurück. Sie setzte sich davor auf den Boden, spürte nicht einmal die aufsteigende Kälte.
     

    Was war nur in sie gefahren? Er hatte doch nur helfen wollen. Warum war sie so wütend auf ihn? Er hatte ihr keinesfalls Vorschriften machen wollen, hatte nur das Naheliegende vorgeschlagen. Sie hätte ihm jederzeit widersprechen können und dazu hätte es nicht eines so harschen Tons bedurft. Oder war es nicht seine Entscheidung zum Aufbruch gewesen, die sie gegen ihn aufgebracht hatte? Lag es vielleicht daran, dass er etwas gesagt hatte, was sie nicht hatte hören wollen? Hatte es sie verletzt, dass er ihr mangelndes Vertrauen in die Götter vorgeworfen hatte? War sie gekränkt, weil er mehr in der Offenbarung der Götter zu lesen vermochte als sie selbst, die sie doch Gegenstand selbiger war?
    Nun, was immer auch der Grund für ihr Verhalten war, es machte wohl keinen Sinn, ihr nachzulaufen und sich zu rechtfertigen. Er würde warten müssen, bis sie sich beruhigt hatte. Er fuhr damit fort, Holz für das Feuer aufzuschichten. Dann ging er auf die Suche nach Wasser.
    Als es Abend wurde und sie noch immer nahezu regungslos vor dem Würfel verharrte, begann er, sich Sorgen zu machen. Ihr musste doch kalt sein. Ob er sie auffordern sollte, zu Feuer zu kommen? Oder riskierte er damit einen weiteren Wutausbruch? Er nahm eine Decke und näherte sich ihr vorsichtig. Da sie keine Notiz von ihm zu nehmen schien, ging er neben ihr in die Knie und legte ihr die Decke um die Schultern. Wortlos entfernte er sich danach wieder.
     

    Sie griff nach den Enden der Decke, zog sie enger um sich. Seltsam, sie hatte bisher nicht bemerkt, wie kalt es ihr geworden war. Ihr Zorn war verraucht und hatte Reue Platz gemacht. Sie hatte erkennen müssen, dass ihre Wut nicht Waylen, sondern ihr selbst gegolten hatte. Sie war erzürnt über ihr Unvermögen gewesen, die richtigen Schlüsse zu ziehen und danach zu handeln. Und dass Waylen dies an ihrer Stelle getan hatte, hatte ihr Versagen noch bitterer gemacht. Schließlich hatte sie sich schon so lange mit der Suche nach ihrem Vater beschäftigt, war darüber zu einer Gelehrten geworden, hatte schon drei fremde Sprachen gelernt, Elungisch, Cytrian und Zyn, und unzählige Texte über die anderen Länder studiert. Sie kannte die Geschichte der Sechs und ihrer Töchter als wäre es ihre eigene, hatte auch sonst alles gelesen, was sie über das Bereisen der Welt hatte finden können. Waylen hatte nichts von dem getan, war nicht mehr als ein Bauer. Er hatte nur aus ihren Erzählungen gelernt und hatte kein persönliches Interesse an dieser Unternehmung. Dennoch war es ihm gelungen, ihr einen Rat zu geben, den sie würde annehmen müssen. Ja, sie würde nach Helwa reisen.
    Sie musste ihm danken, und sich entschuldigen, so schwer es ihr auch fiele. Da sie noch mindestens einen halben Mond mit ihm würde verbringen müssen, war dies unvermeidlich, wollte sie nicht in das Schweigen zurückfallen, das den Beginn ihrer gemeinsamen Reise geprägt hatte. Das wollte sie sich nicht vorstellen, hatte sie doch Gefallen an den Gesprächen mit ihm gefunden.
    Sie erhob sich, streckte die Glieder, die vom bewegungslosen Verharren und der Kälte steif geworden war, und ging auf das munter prasselnde Feuer zu. Obwohl es eigentlich stets ihr Part gewesen war, hatte Waylen schon eine Mahlzeit zubereitet. Wortlos reichte er ihr eine Schüssel mit dampfendem Getreidebrei.
    Sie aßen schweigend. Erst als auch er seine Schüssel geleert hatte, ergriff sie das Wort. „Es tut mir leid. Ich wollte Euch nicht anfahren. Mein Zorn galt nicht Euch. Ich war wohl eher wütend auf mich.“
    „ Ihr braucht Euch nicht zu entschuldigen. Es stand mir nicht zu, Euch Vorschriften zu machen. Es ist, wie Ihr sagtet, ich arbeite für Euch. Ihr seid diejenige, die die Entscheidungen fällt. Wir sind einander nicht

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