WELTEN-NEBEL
anderen beiden darüber zu sprechen. Die Stimmung war schon schlecht genug, besonders Darija schien von Tag zu Tag gelangweilter und gereizter. Mawen zog sich immer weiter zurück und beschäftigte sich nur noch mit seinen Aufzeichnungen, die Gespräche mit ihm beschränkten sich auf den Sprachunterricht und gelegentliche Fragen über Zadas Erinnerungen an Helwa.
Zada war noch vor Sonnenaufgang aufgewacht. Sogleich hatte sie das Gefühl, dass sich die Stimmung sich irgendwie verändert hatte. Zunächst konnte sie nicht sagen, woran es lag, und schob es auf ihre eigene Aufregung und Unsicherheit. Doch später bestätigte Darija Zadas Eindruck: „Irgendetwas hat sich über Nacht verändert. Der Wald fühlt sich anders an und habt ihr bemerkt, wie still es ist? Ich habe heute noch keinen einzigen Vogel gehört.“
„ Wenn ich es recht bedenke, dann habt Ihr Recht“, sagte Mawen.
Da sich Zada nun in ihrem Gefühl bestätigt sah, schaltete auch sie sich in das Gespräch ein: „Vielleicht ist es ein gutes Zeichen und unsere Geduld wird heute belohnt werden. Was meint ihr, sollen wir uns gleich zum Würfel begeben?“
Die beiden anderen nickten und gemeinsam gingen sie zu dem schwarzen Würfel, der noch immer unverändert in der Mitte der Lichtung stand. Sie ließen sich einen Schritt davon entfernt auf dem Gras nieder und Zada begann laut zu beten. Als sie geendet hatte, versanken sie in Schweigen und ein jeder hing seinen Gedanken nach.
Zada versuchte, sich von allen Zweifeln zu befreien und ganz auf die Götter zu vertrauen: Schließlich hatten sie bis jetzt stets zur rechten Zeit eingegriffen und alle Ereignisse so gesteuert, dass die drei zusammengefunden hatten und nun hier waren. Erst hatten sie sie von Helwa nach Cytria gebracht und dann dafür gesorgt, dass sie in den Tempel eingetreten war. Auch Mawen und Darija hatten Ausbildungen ausgewählt, die für die Mission nützlich waren. Warum also sollten die Götter sie also nun im Stich lassen?
Manchmal wünschte er sich, Zadas Vertrauen in die Götter zu haben. Zwar glaubte er wie sie, dass sie am richtigen Ort waren und der schwarze Würfel heute sein Geheimnis preisgeben würde. Doch seine Gewissheit gründete mehr auf der Zwangsläufigkeit der Ereignisse. Nicht dass er nicht an die Götter und ihr Wirken glaubte, doch konnte er aus diesem Wissen nicht so viel Kraft und Zutrauen schöpfen wie Zada. Die Absurdität seiner Einstellung war ihm dabei durchaus bewusst. Einerseits ging er aufgrund einer göttlichen Offenbarung auf eine gefährliche Mission und ließ sein geregeltes Leben hinter sich, andererseits aber brachte er nicht genug Vertrauen in die Götter auf, um von ihnen Hilfe zu erwarten.
Die Sonne hatte gerade ihren mittäglichen Höchststand erreicht, als seine Gedanken jäh unterbrochen wurden. Darija hatte seine Hand ergriffen und zog ihn auf die Füße. Auch Zada hatte sie so aus ihren Gedanken gerissen. Gemeinsam traten sie zum Würfel und wie auf ein geheimes Zeichen hin legten sie ihre Hände übereinander und Darija, deren Hand zuunterst lag, berührte den Würfel.
Das helle Licht blendete sie und sie schloss die Augen. Ihre Hand jedoch ließ sie fest auf den Würfel gedrückt. Dann spürte sie es: Ein leichtes Vibrieren durchlief den Würfel und die einstmals raue, aber gleichmäßige Oberflächenstruktur veränderte sich. Linien entstanden, erhabene Flächen und Vertiefungen. Was immer es war, Schrift war es keine, soviel stand fest.
Erst als die Vibrationen verklungen waren, wagte Darija, die Augen zu öffnen. Was sie sah, erstaunte sie und versetzte sie in Erregung. Auf der Fläche, auf die sie ihre Hand gelegt hatte, war eine Landkarte entstanden, mit Bergen, Flüssen, Tälern und Küsten. Durch die Reliefstruktur sah es so unglaublich lebendig aus. Auf den ersten Blick war ihr klar, dass die nicht das Abbild Cytrias war. Die gezeigte Insel war eher länglich und auch die Lage der Berge war nicht so, wie sie es von Karten Cytrias kannte. Bevor sie jedoch begann, sich genauer damit zu beschäftigen, blickte sie sich nach Mawen und Zada um. Die Hände der beiden lagen noch immer auf der ihren und auch ihre Blicke waren gebannt auf die Zeichnung vor ihnen gerichtet. Zada brach das Schweigen mit nur einem Wort, das mehr ein Flüstern war, halb Frage und halb Gewissheit: „Helwa.“
Zuerst hatte sie geglaubt, sie spüre ein Zittern von Darijas Hand, doch schnell hatte sie gemerkt, dass die Bewegung von dem
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