WELTEN-NEBEL
der Sonnenwenden Zeiten großer Macht sind. Die Sommersonnenwende ist nah, möglicherweise müssen wir bis dahin warten.“
Sie dachte kurz nach, bevor sie ihm antwortete: „Das klingt logisch. Es sind noch zwölf Tage bis dahin. So lange können wir warten. Sollte diese Entscheidung falsch sein, so bin ich sicher, dass die Götter uns ein Zeichen senden werden. Seid ihr damit einverstanden?“
Die beiden anderen nickten. „Unser Proviant wird nicht reichen. Wir werden versuchen müssen, noch mehr in der Natur zu sammeln.“ Darijas Einwand war berechtigt, denn der Proviant war ohnehin knapp kalkuliert gewesen und war die ganze Reise über entsprechend der Möglichkeiten durch Beeren, Früchte und essbare Pflanzen aufgestockt worden. Nun war dieses Vorgehen überlebenswichtig.
Mawen hoffte, dass sich die Vermutungen bezüglich der besonderen Macht der Sommersonnenwende bewahrheiteten. Ansonsten wäre dies nur eine unglaubliche Zeitverschwendung. Aber zumindest mussten sie jetzt nicht mehr jeden Tag wandern und hatten mehr Zeit für den Sprachunterricht.
Jahr 3619 Mond 6 Tag 18
Uralt-Wald
Leider erwiesen sich der Sprachunterricht und das Sammeln von Nahrung als die einzigen sinnvollen Aktivitäten. Sie waren jetzt seit zehn Tagen auf der Lichtung und das Warten langsam leid. Besonders Darija litt unter der Untätigkeit. Sie war tägliche körperliche Arbeit gewöhnt und der Sprachunterricht bereitete ihr wenig Freude. Zwar sah sie die Notwendigkeit, doch das steigerte ihre Motivation kaum. Mawen und Zada schienen weniger Probleme mit dem Warten zu haben. Zada saß häufig stundenlang vor dem schwarzen Würfel, versenkt ins Gebet. Mawen arbeitete voller Eifer an seinen Aufzeichnungen über die helwarische Sprache. Ihr blieb nur, die Beschaffung der Nahrung zu übernehmen. Glücklicherweise war dies kein großes Problem, denn es war Frühsommer und der Wald war voller Beeren und Früchte. Verhungern würden sie nicht, doch das Essen war genauso eintönig wie der Tagesablauf.
Mehr als die Langweile störte sie jedoch insgeheim die engen Verbundenheit zwischen Zada und Mawen. Immer wieder fand sie die beiden in tiefgründige Gespräche versunken vor, gelegentlich lachten sie auch über Dinge, die sich ihrer Wahrnehmung offensichtlich entzogen. Darija fühlte sich ausgeschlossen und einsam. Zwar behandelten die beiden sie stets freundlich, waren offen und herzlich, doch es blieb ein seltsames Gefühl.
Gerne wäre auch sie so vertraut mit Mawen umgegangen wie Zada es tat, doch eigentlich war er ein Fremder und es fiel ihr schwer, sich zu öffnen. Auch fehlte ihnen eine gemeinsame Basis. Mit Zada teilte Mawen die Leistung um die Entschlüsselung der Botschaft auf dem Heiligen Würfel, mit ihr war er nur durch eine Laune des Schicksals verbunden. Im Grunde war sie nicht mehr als ein Anhängsel der beiden, bis auf den Bau des Schiffes hatte sie noch nichts beigetragen und würde es wahrscheinlich auch nicht. Diese Aufgabe hätte genauso gut jemand anders erfüllen können. Daher war es wohl kein Wunder, dass Mawen ihr nicht die gleiche Wertschätzung entgegenbrachte, wie er es bei Zada tat. Gerne wäre sie diejenige gewesen, die ihm bei seinen Forschungen assistierte und Stunden mit ihm verbrachte.
Da sie in den letzten Tagen genug Zeit zum Nachdenken gehabt hatte, konnte sie dieses Gefühl nun auch in ein Wort fassen: Neid, sie war neidisch auf Zada. Sie wusste nicht, was sie mehr beunruhigte, die Tatsache, dass ein solches Gefühl in ihr hatte aufkommen können, oder der Grund dafür, nämlich das ihr mehr an Mawen lag, als sie jemals würde zugeben wollen. Es war auch zu abwegig, wieso sollte sie Interesse an dem blassen Gelehrten haben? Hätten sie die Umstände nicht zusammengeführt, sie hätte ihn keines zweiten Blickes gewürdigt. Nun aber neidete sie einer Priesterin ihre enge Beziehung zu ihm. Das war wirklich absurd. Doch obwohl sie sich dies immer wieder einzureden versuchte, konnte sie den Neid und das Gefühl von Zurückweisung nicht abschütteln. Langsam schien die Warterei sie ernsthaft verrückt zu machen. Und es waren noch drei Tage bis zur Sommersonnenwende.
Jahr 3619 Mond 6 Tag 21
Uralt-Wald
Endlich war der Tag der Sonnenwende gekommen. Je näher er gerückt war, desto größer war ihre Unsicherheit geworden. Obwohl sie täglich Stunden mit Gebeten und Meditation verbracht hatte, war das erhoffte Zeichen der Götter ausgeblieben. Sie hatte jedoch nicht gewagt, mit den
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