WELTEN-NEBEL
zurückliegenden Reise berichten, als es klopfte. Ein Bote überbrachte eine wichtige Nachricht. Gerade legte ein fremdes Schiff im Hafen von Aaran an.
Sofort machten sich alle auf den Weg zum Hafen. Zu ihrer Freude fanden sie ein Schiff vor, an dessen Mast die helwarische Fahne flatterte. Tharet hieß die Soldaten, die sich ebenfalls am Kai versammelten hatten, zurückzutreten. Die Laufplanke des Schiffes wurde ausgelegt und Zada und Darija erkannten sofort, wer ihnen dort entgegenschritt. Es war Elec. An seiner Seite schritt eine Frau, die ein Kind auf dem Arm trug. Aber wo war Mawen? Erst als die drei direkt vor ihnen standen, konnte Zada erkennen, wer die Frau war. Sie umarmte zuerst Madia und dann Elec.
Schon auf dem Weg zum ehemaligen Palast tauschten sie sich über die Dinge aus, die seit ihrer Trennung geschehen waren. Zada war froh, ihre Freunde wohlbehalten wiederzusehen, doch das Leid, was sie hatten erfahren müssen, dauerte sie. Umso dankbarer war sie, dass sich alles zum Guten gewendet hatte und die beiden nun glücklich vereint waren. Ihr Kind, ein Junge von fünfzehn Monden, war ihr ganzer Stolz. Er hatte die braunen Augen und die olivfarbene Haut seines Vaters, doch sein Haar war so blond wie Madias.
Das Herrscherpaar berichtete, dass es schon viel früher nach Cytria hatten reisen wollen, doch es hatte einige Zeit in Anspruch genommen, die Wunden Helwas zu heilen, die die Regierungszeit König Korats geschlagen hatte. Erst als so weit alles geregelt war und sie die Verwaltung Helwas in verantwortungsvolle Hände gelegt hatten, konnten sie aufbrechen. Sie hatten die Reise unbedingt persönlich unternehmen wollen, weil sie nicht wussten, wie es um den Welten-Nebel bestellt war. Doch der Weg zwischen den Ländern war nicht länger versperrt, von dem Nebel war keine Spur geblieben.
IM SCHUTZ DES NEBELS
DIE BEWAHRERIN
Die Götter aber breiteten einen undurchdringlichen Nebel aus,
der Margan und Tulup verschlang und seine Bewohner.
Nur jene, deren Herzen nicht von Krieg und Hass vergiftet worden waren,
fanden Gnade vor dem Gericht der Götter und eine neue Heimat im Schutz des Welten-Nebels.
Aus den Chroniken der Bewahrerinnen
Jahr 3631
Martul
Es war an der Zeit. Sobald der Schnee im Frühjahr getaut wäre, würde sie ins Tal aufbrechen, um ihre Nachfolgerin auszuwählen. Sie selbst hatte schon achtzig Sommer gesehen. Obgleich die Götter die Bewahrerinnen mit einer langen Lebensspanne segneten, musste sie nun endlich diesen Schritt gehen. Schließlich hatte Wilka viel Wissen weiterzugeben.
Es war ihr schwergefallen, diese Entscheidung zu fällen, denn auch wenn es schon siebzig Jahre her war, konnte sie sich noch gut erinnern, welche Qualen sie als Zehnjährige durchlebt hatte, nachdem sie erwählt worden war. Es tat ihr in der Seele weh, einem Mädchen dies antun zu müssen.
Sie trat vor ihr Haus und schaute auf zur fahlen Sonnenscheibe, die gerade ihre tägliche Bahn begann. Sie nahm den Eimer auf, um frisches Wasser aus dem Gebirgsbach zu holen. Sie stellte fest, dass das Tauwasser diesen schon merklich hatte anschwellen lassen. Sie würde ihre Reise bald beginnen können. Sie ächzte, als sie den gefüllten Eimer aus dem Bachlauf hob. Ihr Alter machte sich mit aller Macht bemerkbar.
Wieder einmal musste sie das strenge Urteil ihrer Mutter fürchten. Sie hatte einen Stapel Handtücher säumen sollen, und da Nähen noch nie zu ihren Lieblingsaufgaben gehört hatte, hatte Ewen sich recht lustlos ans Werk gemacht. Seit ihre vierjährige Schulzeit mit Beginn des neuen Jahres geendet hatte, war sie von früh bis spät den Launen ihrer Mutter ausgesetzt. Gerne hätte sie einen Beruf erlernt, doch ihre Mutter hielt dies für unnötig. Sie selbst war schließlich auch nur Hausfrau und Mutter. Zugegebenermaßen hatte sie damit genug zu tun, denn das Haus, in dem Ewens Familie lebte, war groß und der umgebende Garten nicht minder. Auch drei Kinder mussten versorgt werden. Wobei man ihren älteren Bruder wohl kaum noch als Kind zählen konnte, immerhin war er schon sechzehn und damit fast erwachsen. Den ganzen Tag über ging Agor ihrem Vater in der Landwirtschaft zur Hand. Er sollte später einmal das Haus und das Land übernehmen. Sie hingegen musste sich mit solchen Dingen wie Näharbeiten abgeben; ihre Mutter war fest entschlossen, eine annehmbare Partie aus ihr zu machen. Dabei lag Ewen nichts ferner, als ein Dasein als Ehefrau zu fristen. Doch so oft sie
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