Welten - Roman
»Damit wäre Ihre Untersuchung also abgeschlossen.« Seine eigenen Worte klangen ein wenig kälter, als er es beabsichtigt hatte.
Sie musterte ihn ruhig. »Ich denke ja, Tem.« Ihr Ton war schwer zu deuten. Sie streichelte sein Gesicht. »Und ihr Verlauf war sehr erfreulich, meinst du nicht auch?« Ihr Lächeln hatte etwas einnehmend Zaghaftes.
Er umfasste ihre Hand und küsste sie sanft mit trockenen Lippen. »Doch, das würde ich.« Dann stockte er und konnte ihr nicht einmal in die Augen sehen. Er hatte das Bedürfnis, mehr zu sagen, ihr auf besonders romantische Weise seine Dankbarkeit zu bekunden, sie zu beruhigen, ihr zu schmeicheln und ihr seine Bewunderung und Anhänglichkeit zu beteuern, aber zugleich wollte er sie herabsetzen, sie kränken, sie einfach abhaken und loshaben.
Er fühlte sich gefangen zwischen diesen widersprüchlichen
Impulsen, in einem ebenso prekären Gleichgewicht wie auf diesem idiotischen Fickmöbel.
»Darf ich annehmen, dass der Bann der Dame damit ein wenig gebrochen ist?« Sie legte ihm den Mund ans Ohr, während sie ihm mit der Rückseite der Finger die Wange streichelte. »Gewiss hat sie ihren eigenen naiven Reiz, aber mehr Erfahrung bietet größeren Reichtum, meinst du nicht? Sie eröffnet uns eine neue Perspektive. Wir vergleichen, stellen gegenüber, messen und urteilen. Erste Eindrücke, so bezaubernd sie uns auch erschienen sein mögen, werden im Lichte höherer Vervollkommnung neu bewertet. Was einzigartig wirkte, wird auf einmal mit anderen Augen betrachtet, hmm?« Lächelnd löste sie sich ein wenig, ohne die Liebkosung seiner Wange zu unterbrechen. »Der junge Wein erfüllt seinen Zweck und ist gut genug, solange man nichts Besseres kennt, aber erst der erlesene Wein, der geduldig zur Höhe seiner Blüte geführt wird, wo er seine ganze Komplexität und Feinheit entfalten kann, befriedigt alle Sinne, findest du nicht?«
Er hielt die streichelnde Hand fest und umschloss sie. Dann zwang er sich, sie anzuschauen. »In der Tat, das kann man gar nicht vergleichen.«
Ihr Blick durchdrang ihn, und er wusste sofort, dass sie sich von seiner Äußerung, die er für so listig gehalten hatte, weil sie für sie etwas anderes bedeutete als für ihn, nicht hatte täuschen lassen.
Er spürte, wie ein Wandel mit ihr vorging. Schließlich schürzte sie die Lippen. »Wir kehren zurück.«
Kurz darauf waren sie wieder auf dem Eisboot zwischen den Kissen und Polstern, die sie mit den anderen teilten. Sie ließ einfach seine Hand los und wandte sich mit gelangweilter Miene von ihm ab, um einen tiefen Zug aus der
Wasserpfeife zu nehmen. Ihr Gesicht wirkte verschlossen und beherrscht. »Faszinierend, Mr. Oh.« Sie verabschiedete ihn mit einem kurzen Wink. »Ich überlasse Sie wieder Ihren festlichen Freuden. Gute Nacht.«
Nicht nur ihr Verhalten zwang ihn zum Schweigen, sondern auch seine eigenen widerstreitenden Gefühle. Zögernd musste er sich eingestehen, dass er nichts tun oder sagen konnte, was die Situation nicht noch verschlimmert hätte. So erhob er sich nickend und ging.
Ein betrunkener, singender Zwerg in einer Jolle aus Zuckerwatte ruderte ihn zurück und brach ein Stück Dollbord für ihn ab, als sie sich dem Ufer näherten. »Schmeckt nach Rum, Sir! Los doch, probieren Sie! Probieren Sie!«
DER PHILOSOPH
Ich muss zugeben, dass ich in mancher Hinsicht Glück hatte. Als ich den Armeedienst quittierte und aus dem Ausland zurückkehrte, fand ich in einer Zeit hoher Arbeitslosigkeit sofort eine Anstellung bei der staatlichen Sicherheitspolizei, weil ich die Empfehlung eines Offiziers bei den Spezialkräften vorweisen konnte, den ich von meinem Überseeaufenthalt kannte. Meine fachliche Eignung war auf hoher Ebene erkannt worden, was mich, wie ich nicht verhehlen will, zu einem gewissen Stolz veranlasste.
Zunächst stieß ich bei der Polizei auf eine gewisse Ablehnung, weil man mir von Beginn an einen relativ hohen Rang zugestanden hatte. Aber ich schmeichle mir, schon bald darauf den Respekt nahezu aller Kollegen gewonnen zu haben. Natürlich wird es in jeder Organisation Menschen
geben, die einen Anlass zu Groll und Neid finden, aber damit muss man einfach leben.
So gehörte ich dem staatlichen Sicherheitsdienst an, als sich allmählich das volle Ausmaß der Bedrohung durch die christlichen Terroristen auch für jene und nicht zuletzt für unsere Regierung abzeichnete, die sich einreden wollten, dass man diese Leute mit Verhandlungen und einem gelegentlichen Klaps in
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