Welten - Roman
hatte den Eindruck, dass Madame d’Ortolan schon ziemlich viel davon geraucht hatte.
Noch immer betrachtete sie ihn mit starrem Lächeln. Ihre Hand spielte mit einem Diamantenfaden über ihrer Brust. »Ich hoffe, Sie sind hergekommen, um sich zu amüsieren, Tem. Alles andere wäre eine furchtbare Verschwendung von Zeit und Ressourcen.«
»Madame, ich fühle mich absolut dazu verpflichtet.«
»Bitte nennen Sie mich Theodora.«
»Danke, Theodora. Ja, ich habe vor, mich zu amüsieren.« Er hob das halb geleerte Glas mit temperiertem Schnaps und gab ihr das Mundstück der Wasserpfeife zurück, während er so viel Wärme in sein Lächeln legte, wie er nur konnte. »Und ich habe schon angefangen, mich zu amüsieren.«
Wieder legte sie ihm die Hand aufs Knie. »Also …« Ihr Ton wurde vorübergehend etwas geschäftsmäßiger. »Wie ist die Befragung nach Ihrem Treffen mit Mrs. M verlaufen?«
Oh hatte die Begegnung mit Mrs. Mulverhill im Kasino von Flesse, den folgenden Sprung und Teile der anschließenden Unterhaltung beim Konzern gemeldet.
»Eigentlich recht human, Theodora.« Sie hatten ihm viele Fragen gestellt und sogar versucht, ihn zu hypnotisieren,
was er ziemlich witzig fand. Außerdem war er bei den Verhören mit Sicherheit von Leuten beobachtet worden, die Ausflüchte oder Unaufrichtigkeit aufspüren sollten. Aber man hatte ihn nicht bedroht, und er hatte so offen geantwortet, wie es ihm möglich war.
»Und Mrs. M«, schnurrte Madame d’Ortolan. »Hat sie Sie ebenfalls human behandelt?«
»Auf jeden Fall wie einen Menschen.«
Madame d’Ortolan tippte ihm mit einem beringten Finger aufs Knie. »Ich habe gehört …« Sie schien sein Knie oder ihren Finger anzusprechen. »… dass sie Sie in eine andere Welt mitgenommen hat, während Sie in ihr waren.« Mit großen Augen schaute sie ihn an. »Stimmt das?«
»Ja, das stimmt, Theodora.«
»Ah.« Ein wenig Wehmut trat in ihre Stimme. »Im Liebestaumel.«
»Kurz darauf, eigentlich.«
»Ich hoffe, es hat sich gelohnt.«
»Das lässt sich schwer beurteilen.« Ihm war klar, dass er sich mehr als dunkel ausdrückte. Dennoch schien sie damit zufrieden.
Sie streichelte sein Knie. »Sagen Sie,Tem, was hat sie über mich erzählt?«
»Nun, Theodora, ich kann mich nicht mehr richtig erinnern.«
»Wirklich?«
»Wirklich.«
»Sind Sie sicher, dass Sie das nicht nur aus Höflichkeit sagen?«
»Ziemlich sicher.«
»Nein, das glaube ich Ihnen nicht.« Vertraulich rückte sie so nahe heran, dass eine ihrer Brustwarzen auf Höhe seines
Herzens sanft gegen seine Jacke drückte. »Sie wollen nur höflich sein!«
»Es ist einfach so, dass sich die Erinnerungen nach den langen Gesprächen mit den Vernehmungsbeamten verbraucht anfühlen. Ausgeschlachtet, sozusagen. Als hätte ich nur noch die Erinnerung an eine Erinnerung und das Eigentliche wäre verschwunden.«
Ihr flackernder Blick suchte den seinen. »Ich hoffe, Sie wollen nicht zu höflich sein, Tem.« Ihre Stimme war fest. »Sie müssen mich nicht schonen.«
Er war sich sicher, dass Madame d’Ortolan entweder ein Protokoll seiner Aussagen gelesen oder eine Aufzeichnung seiner Befragung gesehen hatte. Zumindest hatte sie Zugang zu allen Akten. Alles, was sie interessierte, wusste sie bereits.
»Mrs. Mulverhill …« Sogleich spürte er, wie ihm die drei Personen, die am nächsten saßen, ihre Aufmerksamkeit zuwandten. So legte er Madame d’Ortolan den Mund ans Ohr und senkte entsprechend die Stimme. »Mrs. Mulverhill sagt, dass Sie den Konzern ins Verderben führen werden. Und dass Sie - oder eine Splittergruppe im Zentralrat - möglicherweise geheime Pläne verfolgen. Sie weiß aber nicht, worauf diese zielen.«
Madame d’Ortolan schwieg einen Moment. Zu ihren Füßen teilten sich zwei Ratsmitglieder, die nichts von seinen Ausführungen mitbekommen hatten, eine Wasserpfeife und erzählten sich Witze. Plötzlich brachen die beiden Männer in heftiges Prusten aus, das eine dicke graurosa Rauchwolke aufsteigen ließ.
»Wissen Sie, Tem.« Auf einmal lag etwas Stählernes in Madame d’Ortolans Stimme, und ihm wurde klar, dass sie nicht im Geringsten betrunken oder high war. »Wir haben
uns sehr bemüht, Sie zu beschützen.« Sie musterte ihn scharf, und er zog es vor, nichts zu sagen. »Wir haben Sie sehr, sehr aufmerksam beobachtet. Wir haben Ihnen viele Leute an die Seite gestellt, um dafür zu sorgen, dass Ihnen diese Frau keinen Schaden zufügt, unsere besten Kräfte haben wir darauf angesetzt, all
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