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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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etwas Lächerliches, fast Perverses für ihn gehabt. Zumindest, so hatte er es sich in den letzten Minuten vorgestellt, würde er kalt sein, schwer zu erregen oder oberflächlich und ein wenig herablassend.
    Doch angesichts dieser schmeichelhaften Aufmerksamkeit von ganz oben, dieses ungeteilten Interesses von einer
Frau, die sich größte Mühe gegeben hatte, sich unwiderstehlich zu machen, gab es keinen Teil von ihm, der nicht begeistert reagiert hätte. Vielleicht, so spekulierte er, war etwas in der Wasserpfeife oder dem Getränk gewesen. Aber wahrscheinlich eher nicht.
    Madame d’Ortolan war eine höchst geschickte Liebhaberin, wendig und von einer fast ungeduldigen Rastlosigkeit in den Bewegungen der Hände und des Mundes, die ständig von einer Stelle seines Körpers zur nächsten wanderten, als wäre sie zwar nicht unzufrieden mit dem Entdeckten, doch immer noch auf der Suche nach etwas Besserem.
    Beide Kostüme schienen darauf berechnet, leichten sexuellen Zugang zu gewähren, ohne dass man viel davon ausziehen musste. Als er in sie eindrang, stieß sie ein lautes, zufriedenes Seufzen aus und drückte ihn mit allen vier Gliedmaßen an sich. Mit einem kehligen Lachen warf sie den langen weißen Hals zurück. »Ah, ja. So ist es gut, so ist es gut.«
    Mit virtuosem Geschick sorgte sie dafür, dass sie einige Minuten später gleichzeitig zum Orgasmus kamen. Das war so ein Klischee und zugleich so relativ ungewöhnlich, dass Oh selbst mitten im Akt Gelegenheit fand, ungeniert beeindruckt zu sein.Als die Empfindung allmählich abklang und ihre und seine Schreie verhallten, nahm sie ihn mit in ein anderes kopulierendes Paar. Dann kurz darauf abermals in ein anderes und wieder und wieder. Er hatte keine Zeit, die vorüberziehenden Körper und Welten zu beurteilen und nahm kaum mehr wahr als eine undeutliche Abfolge von Fragren, Lichtqualitäten und Räumlichkeiten. Kühlere Luft, wärmere Luft, wechselnde Düfte und Körperausdünstungen und selbst die verschiedenen sexuellen Positionen -
alles rauschte in einem Stakkato hinausgezogener Ekstase an ihm vorbei.
    Trotz dieser pulsierenden, ausgedehnten Lust fiel ihm ein, dass es Menschen gab, die in einem Zustand permanenter sexueller Erregung lebten und durch die banalsten und gewöhnlichsten physischen Auslöser und Erfahrungen zum Orgasmus kamen. Das klang nach reiner Glückseligkeit, etwas was sich betrunkene Freunde gegen Ende eines Abends mit johlendem Gelächter ausmalten, aber die überhaupt nicht komische Wahrheit war, dass es sich dabei um eine ernste, kräftezehrende Krankheit handelte. Der letztendliche Beweis dafür war, dass sich viele Betroffene das Leben nahmen. Reine körperliche Wonne konnte zu einer unerträglichen Bürde werden.
    Mrs. M hatte Recht. Alles musste zur Reife kommen.
    Schließlich flaute es allmählich ab, das Wechseln in bewegte, schwitzende, zitternde Körper dauerte immer länger und verschob sich synchron von den letzten Zuckungen über das Verhallen des erlebten Höhepunkts bis hin zu einem langen, ausgedehnten Nachklang, der in der Summe wirkte wie ein absurd übersteigertes romantisches Ideal vollkommener körperlicher und geistiger Liebe.
    Als es schließlich vorüber war und Oh endlich wieder die Augen aufschlagen konnte, um sich Klarheit über seine Umgebung zu verschaffen, war er noch immer in ihr, und sie saßen von Angesicht zu Angesicht auf einem sanft geschwungenen, samtenen Liebessitz.
    Sie befanden sich in einer großen, flachen Wüste aus bleichgoldenem Sand unter einem schlichten schwarzen Baldachin, der gleichmäßig flatterte, während der warme Wind über ihre völlig nackten Körper strich. Seine Füße berührten einen dicken, abstrakt gemusterten Teppich. Auf
einem Tischchen standen dekorierte Keramikbecher und ein elegant gearbeiteter Krug. Ihre Kleider lagen zusammengefaltet auf einem breiten Schemel. Nicht weit entfernt schliefen zwei Tiere mit lohfarbenem Pelz im Sand; die Spezies war ihm unbekannt. Fragre kaum der Rede wert. Sprachen wie gehabt. Dieser Körper war sehniger und muskulöser als sein eigener. Genau wie alle anderen, fiel ihm jetzt ein. Als er den Blick senkte, bemerkte er, dass er rasiert war wie Madame d’Ortolan.
    Gähnend streckte sie sich und lächelte ihn an. Sie sah völlig unverändert aus, nur ohne Kleider und Schmuck. Sie fuhr ihm mit der Hand durchs Haar und ließ den Blick über sein Gesicht huschen.
    »Nun, Tem.«
    Er spürte einen sanften Druck, als sie träge erschauerte.

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