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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Koks.
    »Dieses Wochenende?«, fragte ich.
    »Dieses Wochenende.«
    »Bist du sicher, dass noch Platz ist?«
    Er schnaubte. »Klar, Mann. Da ist massenhaft Platz.«
     
    Es war massenhaft Platz, weil es nämlich ein verdammtes Schloss war. Spetley Hall ist in Suffolk, in der Nähe von St. Edmunds. Eins von diesen Landgütern, wo man nach einem netten, aber verlassenen Pförtnerhaus wie aus einem
Märchen die Auffahrt hinaufdüst und sich allmählich schon fragt, ob das alles nur eine einzige Verarschung ist, weil die sanfte, hügelige Parklandschaft mit dem Fernblick auf Zierbauten und Rotwildherden einfach immer weitergeht, ohne dass sich eine echte Behausung zeigt.
    Dann kommt über dem Horizont wie eine unwesentlich verkleinerte Ausgabe des Buckingham Palace dieser klippenartig aufragende Steinkasten mit Statuen, Urnen und hohen, kunstvoll eingefassten Fenstern in Sicht, und man glaubt schon, jetzt ist man gleich da. Aber weit und breit kein Butler oder Lakai oder so was in der Richtung. Musste mein Auto selbst abstellen. Nachdem ich die Vordertreppe raufgelatscht war, war dann doch so eine Art Diener zur Stelle, um mir mit den Taschen zu helfen. Er entschuldigte sich sogar dafür, dass er mich nicht begrüßt hatte. Hatte gerade andere Gäste auf ihre Zimmer geführt.
    Stammte alles von der Frau, Mrs. Noyce. Sie war eine richtige Lady mit großem L und einem Doppelnamen und hatte Mr. N geheiratet, und sie hatten das Anwesen geerbt. An diesem Wochenende hatten sie mindestens zwanzig Gäste. Mrs. N war eine entzückende grauhaarige Dame, überhaupt nicht hochnäsig, aber wirklich vornehm. Sie wollte, dass alle gleichzeitig zum Abendessen und Frühstück erscheinen, aber ein Paar musste Freitagnacht in London bleiben, irgendjemand hatte eine Erkältung, und zwei Kinder wurden früh ins Bett geschickt und so weiter, und so kam es nie zu einer richtigen Vollversammlung, du verstehst schon.
    Außerdem lag ich gar nicht so falsch mit meiner spöttisch gemeinten Frage an Barney, ob mit Königen zu rechnen war, denn auch ein unbedeutenderer Royal mit seiner Freundin war anwesend.

    Meine aktuelle Hauptflamme hatte ich zu Hause gelassen. Lysanne war hinreißend, eine Tänzerin mit Beinen bis zum Hals und einer herrlichen, echten blonden Mähne, aber sie hatte einen Liverpooler Dialekt, mit dem man Stahl hätte zersetzen können. Und ehrlich gesagt hätte sie mich nur abgelenkt. Außerdem war Lysanne eins von den Mädels, die nie so richtig verbergen können, dass sie immer nach Verbesserungsmöglichkeiten Ausschau halten.Verglichen mit ihrem letzten Freund, der als Dealer ein, zwei Ebenen unter mir operierte, war ich sicher ein guter Fang, aber sie traute sich bestimmt noch mehr zu, da machte ich mir nichts vor. Spetley Hall voller reicher und besserer Leute wäre einfach eine zu große Versuchung für sie gewesen, egal, wie oft sie mir grenzenlose Liebe und ewige Treue geschworen hatte. Garantiert hätte sie die Gäste nur belästigt. Außerdem hätte sie sich und mich bestimmt lächerlich gemacht und was aufs Dach bekommen.
    Am schlimmsten war die Möglichkeit, dass sie es vielleicht sogar geschafft hätte, sich mit so einem bekloppten Unternehmersprössling abzuseilen und mich abzuservieren wie den letzten Trottel. Das konnte ich natürlich nicht riskieren.
    Als ich spätnachts am Samstag beim Karambolage auf solche Dinge zu sprechen kam, lernte ich Mr. Noyce ein wenig näher kennen. Karambolage spielen die feinen Herrschaften statt Snooker. Wir waren nur noch zu zweit um diese Zeit, alle anderen lagen schon in der Falle. Bisher war ich völlig ohne chemische Hilfe ausgekommen.
    »Sehen Sie das wirklich so kaltblütig, Adrian?« Er rieb die Spitze seines Queues mit grüner Kreide ein. Lächelnd blies er den Überschuss weg. Mr. N war ein stämmiger, munterer Typ und für seinen Umfang ziemlich leichtfüßig. Er
hatte strohfarbenes Haar mit grauen Strähnen und buschige schwarze Augenbrauen. Auf seiner Nase saß eine Brille mit dickem Rahmen, die damals noch halbwegs modern war. Mit einer Zigarre im Mundwinkel hätte er ausgesehen wie Groucho Marx. Wir hatten beide unsere Smokings abgelegt und über einen Stuhl gehängt. Er hatte seine Fliege gelockert, ich meine Clipfliege aufgemacht. Fürs nächste Mal nahm ich mir vor, eine richtige zu kaufen. Zwar hatte ich keinen Bock auf das ganze Theater mit dem Binden, aber ich konnte das Ding einfach in die Tasche stecken, die Clipfliege tragen und mir dann am Ende des Abends

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