Welten - Roman
die ungebundene echte umlegen und lässig herunterhängen lassen. Sah viel schicker aus. Wie Mrs. N wirkte auch Barneys Dad vollkommen relaxed in dieser Art von ultraformeller Kluft, in der sich die meisten Leute nur unbeholfen und plump fühlen.
Die Reichen schmeißen sich gern in Schale, das wurde mir an diesem Wochenende klar. Alles natürlich in einem strengen Rahmen. Sie haben spezielle Klamotten für den Vormittag, den Nachmittag, das Abendessen, zum Reiten, Jagen (je nach Jagdart sogar verschiedene Outfits, vom Fischen ganz zu schweigen), zum Bootfahren, Herumwandern im Gelände, für die Stadt und für die Fahrt hinauf nach London. Und sie fuhren immer nach London hinauf , auch wenn sie aus dem hohen Norden kamen. Hatte anscheinend was mit Zügen zu tun. In diesem Licht betrachtet, war auch Freizeitkleidung etwas strikt Reglementiertes und nicht einfach bequeme Sachen, in denen man sich wohlfühlte.
»Beziehungen, meinen Sie, Mr. N?«
»Bitte nennen Sie mich Edward. Ja, Beziehungen.« Er hatte eine weiche, tiefe Stimme. Kultiviert, aber nicht schwul.
»Das ist doch eine furchtbar unromantische Einstellung, meinen Sie nicht?«
Grinsend zielte ich und gab dem weißen Ball einen ordentlichen Stoß. Die Karambolage-Regeln hatte ich gleich kapiert, allerdings fand ich das Spiel immer noch ziemlich witzlos. »Wie heißt es so schön, Edward? Alles ist ein Markt.«
»Na ja, manche Leute vertreten diese Ansicht.«
»Hätte nicht gedacht, dass Sie mir da widersprechen, in Ihrer Position«, antwortete ich.
Mr. N war Hauptgesellschafter einer der bekanntesten Brokerfirmen in der City. »Ich behandle den Markt wie einen Markt.« Er machte einen Stoß und betrachtete beifällig das Ergebnis. »Alles andere wäre pervers.« Er lächelte mich an. »Und wahrscheinlich auch teuer, schätze ich.«
»Ja, aber das Leben ist doch auch so, finden Sie nicht? Ich meine, die Leute erzählen sich diese Märchen über wahre Liebe und so, aber wenn’s drauf ankommt, haben sie eine ziemlich genaue Vorstellung von ihrem eigenen Wert auf dem Heirats- oder Beziehungsmarkt, oder wie man es nennen will, Sie verstehen schon. Hässliche Leute sind nicht so blöd, dass sie auf die Schönen zugehen und sich dabei was anderes erwarten als eine Abfuhr. Schöne Leute können sich und andere einstufen, sie sehen die Hackordnung. Die Hierarchie ist klar, und jeder kennt seinen Platz. Man kann vielleicht jemanden herausfordern, der ein bisschen höher steht, oder von jemand herausgefordert werden, der ein bisschen niedriger steht. Aber wenn man sich überschätzt, wird es nur peinlich. So ungefähr.«
»Die Hackordnung.« Mr. N zielte seufzend.
»Die Sache ist«, fuhr ich fort, »die Leute fangen auf der gesellschaftlichen Ebene an, in die sie geboren werden,
aber mit gutem Aussehen können sie sich verbessern. Oder mit durchschnittlichem Aussehen und viel Stil und Selbstvertrauen. Oder mit einem Talent. Fußballer zum Beispiel. Filmstars. Rockstars. DJs und so weiter. Sie werden reich und berühmt. Aber das Entscheidende ist, dass Aussehen was Fließendes ist, Sie verstehen schon. Besonders bei den Mädels. Mit gutem Aussehen können sie überallhin kommen. Aber nur wenn sie es benutzen. Ein Mädel wie meine Lysanne zum Beispiel kennt den Wert ihres Aussehens genau. Sie weiß, wie sie es einsetzen muss, und sie setzt es ein, keine Frage. Sie glaubt, dass bei mir nicht Schluss sein muss, dass sie es weiter bringen kann. Zumindest weiter als bis da, wo ich zurzeit noch stehe. Also wird sie jede Chance nutzen, um sich irgendwie zu verbessern. Ist ja auch voll in Ordnung. Allerdings nicht ganz ohne Risiken. Ein bisschen wie Bergsteigen. Eine wie sie muss genau drauf achten, dass sie den nächsten festen Halt gefunden hat, bevor sie den sicheren Stand verlässt, auf den sie bis dahin angewiesen war.«
»Da braucht man wirklich Stil.«
Ich grinste, um zu zeigen, dass ich den Witz verstanden hatte, obwohl er nicht besonders klar war. »Aber ich kann ihr keinen Vorwurf daraus machen. Ich meine, wenn ich eine Frau fände, die besser oder genauso gut aussieht, aber gebildeter und ein bisschen kultivierter ist als sie, dann würde ich Lysanne wahrscheinlich auch abservieren.« Mit Unschuldsmiene zuckte ich die Achseln. »Ist doch nur fair.«
»Und ›verbessern‹ heißt immer mehr Geld, wenn ich das richtig verstehe?«
»Klar, Edward. Letztlich geht’s doch immer nur ums Geld, oder? Das Leben ist ein Spiel, und wer mit den meisten Spielsachen
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