Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
sie.
    »Ernsthaft?«
    »Ernsthaft.« Sie deutete mit dem Kinn auf mein Handgelenk. »Zwei Stunden.«
    Ich fixierte sie, aber sie beachtete mich gar nicht. Statt an meiner Uhr rumzufummeln, zog ich das Handy heraus. Kein Empfang. Nicht einmal Notrufnummern. Wirklich grandios.
    Zwischen dem Fahrer und uns war eine Trennscheibe. Er war alt. Abgetragene Uniform, offenes Hemd, keine Mütze. Connie hob ein altertümliches Mobiltelefon mit separatem Hörer hoch und betrachtete die Anzeige. Dann legte sie es zurück auf den Boden und wandte sich wieder ihrer Zeitung zu.

    Wir brausten auf der unkrautgesäumten Autobahn dahin. Weit und breit kein anderes Auto. Auf der einen Seite lag etwas, das nach einer Kleinstadt aussah. In diese Richtung bogen wir ab und fuhren auf einer vierspurigen Straße weiter, die ebenfalls völlig leer war. Die Häuser waren bleiche Klötze, sehr fünfziger- oder sechzigerjahremäßig und alle gleich. Tief über dem Horizont bemerkte ich einen Schatten, vielleicht ein Hubschrauber.
    Im Wagen war es ein wenig stickig. Am Fenster befand sich ein großer Wippschalter aus Chrom, der aussah, als könnte man damit die Scheibe herunterlassen. Ich drückte darauf, aber es passierte nichts.
    »Die Mühe können Sie sich sparen.« Connie betätigte einen anderen Schalter auf ihrer Seite und redete durch ein Gitter, das ich für die Lüftung gehalten hatte, mit dem Fahrer. Wieder klang es Russisch. Knisternd kam die Antwort des Chauffeurs. Als er uns gestikulierend im Rückspiegel anschaute, schwenkte der Wagen wild hin und her. Ziemlich beunruhigend, obwohl niemand sonst auf der Straße unterwegs war.
    Connie zuckte die Achseln. »Die Klimaanlage funktioniert nicht«, informierte sie mich und beugte sich wieder über ihre Zeitung. »Aber die Filter sind in Ordnung.«
    »Geht das Fenster auf Ihrer Seite?«
    »Nein.« Sie blickte nicht auf.
    Ich lehnte mich vor und musterte das Schiebedach.
    »Hat keinen Zweck«, sagte sie.
    Ich blickte hinaus auf die verlassene Stadt, die vorüberzog. Lange Zeilen gleichförmiger, hoher Wohnblocks, alle menschenleer.
    »Connie, wo sind wir?«
    Schweigend sah sie mich an.

    »Scheiße, ist das Tschernobyl?«
    »Pripjat.« Sie las weiter.
    Ich zog ihre Zeitung nach unten, und sie starrte böse auf meine Hand.
    »Was für ein Jat?«
    »Pripjat.« Sie nickte. »Die Stadt bei Tschernobyl.«
    »Wie kommen Sie dazu, mich hierherzuschleppen?« Inzwischen war ich stinksauer. Kein Wunder, dass wir keine Fenster öffnen konnten. Und das große Mobilfunkteil war wohl eher ein Geigerzähler.
    »Mein Klient will hier mit Ihnen sprechen.«
    »Warum?«
    »Er wird schon seine Gründe haben«, antwortete sie lässig.
    »Ist das vielleicht einer von diesen verdammten Oligarchen oder so?«
    Connie schien zu überlegen. »Nein.«
    Wir erreichten ein großes Gebäude, das wie ein ehemaliger Supermarkt aussah. Eine breite Metalltür rollte ein Stück hoch, und die Limousine fuhr direkt hinein. An einem hell erleuchteten Ladeplatz, wo noch zwei andere Autos und ein kleiner Militärlaster mit großen Rädern und viel Bodenabstand parkten, stiegen wir aus. Die Luft war kühl. Zwei riesige Glatzköpfe in glänzenden Anzügen begrüßten uns mit einem Nicken und führten uns mehrere Stufen hinauf und durch zwei Eingänge mit Vorhängen aus durchsichtigem Plastik. Zwischen den Vorhängen erstreckte sich eine Passage mit großen kreisförmigen Gittern in der Decke und im Boden. Durch die obere Öffnung rauschte ein starker Luftstrom nach unten in das Loch zu unseren Füßen. Dann schritten wir durch einen holzgetäfelten Korridor mit weichem Teppichboden zu einer Tür, die
mit einem saugenden Geräusch aufging. Dahinter befand sich ein weitläufiges, vornehmes Büro mit hellen Lampen, Topfpflanzen, Schreibtischen und bequemen Ledersofas. Eine Wand wurde ganz von dem gigantischen Foto eines Tropenstrands mit Palmen, schimmerndem Sand, blauem Himmel und Meer eingenommen.
    Von einem Schreibtisch mit zwei Computerbildschirmen lächelte uns eine ausgesprochen hübsche junge Frau mit rundem Gesicht und ein wenig zu viel Schminke entgegen und sagte etwas auf Russisch oder so. Connie palaverte zurück, und wir setzten uns jeweils auf eins von diesen schicken Ledersofas. Zwischen uns stand ein Glastisch, der mit Zeitschriften bedeckt war, wie man sie sonst nur in mondänen Hotelzimmern sieht.
    Bevor ich Zeit hatte, mich zu langweilen, summte es am Tisch der Rezeptionistin. Sie sagte etwas zu Connie, die mit dem

Weitere Kostenlose Bücher