Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne

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anderen Ufer herüberdrang. Neben den zischenden Tischheizungen war es warm genug. Zwei Tische weiter stand die Fremde in Grau an der Steinmauer und blickte hinaus über den Fluss.
    Einmal glaubte ich zu bemerken, dass sie sich nach mir umschaute, während ich mit meinen Bekannten sprach. Dann wandte sie sich langsam wieder ab.
    Ich entschuldigte mich und trat auf sie zu. »Pardon.«
    Sie schob den Schleier über das Hütchen nach oben. Ein angenehmes, nicht weiter bemerkenswertes Gesicht. »Sir?«
    »Temudschin Oh. Freut mich, Sie kennenzulernen.« Ich hielt ihr die Hand hin.
    Sie nahm sie in ihre grau behandschuhten Finger. »Ganz meinerseits.«
    Ich zögerte in Erwartung eines Namens. »Möchten Sie sich nicht zu mir und meinen Freunden setzen?«
    Es folgte eine nette Unterhaltung, alles sehr sympathisch. Sie erzählte, dass sie Joll hieß und Zivilistin war, also nicht dem Konzern angehörte. Als Architektin sollte sie den Behörden der Stadt in zwei Tagen Baupläne vorlegen.
    Der Abend verging, die Leute zerstreuten sich.
    Schließlich waren nur noch wir beide übrig. Wir hatten eine Flasche Wein zusammen getrunken und verstanden
uns prächtig. Ich lud sie ein, sich die Stadt von meinem Haus oben auf dem Hügel anzuschauen, und sie nahm lächelnd an.
    Dann stand sie auf meiner Terrasse und betrachtete die Lichter. Als ich die Hand auf den glatten grauen Stoff über ihren Lendenwirbeln legte, wandte sie sich mir zu. Sie stellte ihr Glas auf die Balustrade und zog das Hütchen mit dem Schleier vom Kopf.
    Wir gingen zu Bett und löschten auf ihren Wunsch die Lichter. Nachdem wir zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten, lag ich in ihren Armen und war noch in ihr. Da nahm sie mich mit.
    Plötzlich saß ich am Ende eines Spieltischs in einem anderen Kasino. Sie war im Stuhl neben mir, gleich um die Ecke des Tischs, so dass wir uns mühelos unterhalten konnten. Das Spiel lief bereits. Hier lag das Rad horizontal und war in den Tisch eingelassen. Es wurde mit einem Metallteil in Bewegung gesetzt, das aussah wie die Spitze eines goldenen Wasserhahns. Die einzigen Spielfarben waren Rot und Schwarz, und der Tischbezug war grün.
    »Hmm«, machte ich. Meine Begleiterin wirkte viel mondäner und stärker geschminkt als zuvor, aber das Gesicht war nicht unähnlich. Feinere Wangenknochen vielleicht. Das rötlich braune Haar war jetzt blond. Sie trug viel Schmuck. Ich selbst war um einiges korpulenter als sonst. Doch der schwarze Anzug war elegant. Als ich mir die Haare glattstreichen wollte, stellte ich fest, dass ich keine hatte. Neben meinem eisgefüllten Glas bemerkte ich ein metallenes Zigarettenetui und einen Aschenbecher. Das erklärte wohl das gurgelnde Gefühl beim Atmen und das leichte, aber beharrliche Verlangen nach Tabak. Ich betrachtete mich in der polierten Oberfläche des Zigarettenetuis. Kein
besonders einnehmendes Äußeres. Meine Sprachen waren Französisch, Arabisch, Englisch, Deutsch, Hindi, Portugiesisch und Latein. Einige Brocken Griechisch. »Wirklich, äh, interessant.«
    »Besser ging es nicht«, antwortete sie.
    »Haben Sie nicht gesagt, dass Sie Zivilistin sind?« In meiner Stimme lag ein vorwurfsvoller Ton.
    Sie warf mir einen Blick zu. »Eine Notlüge.«
    Das letzte Mal, dass mich jemand zu einem Weltenwechsel mitgenommen hatte, den ich nicht selbst steuerte, war noch während meiner Ausbildung an der UPT gewesen. Vor über zehn Jahren.Was sie gerade getan hatte, war ziemlich unhöflich. Allerdings hatte ich den Verdacht, dass es darauf nicht ankam.
    »Sind wir uns schon mal begegnet?«, fragte ich. Es war Zeit für die Einsätze. Wir hatten Plastikchips vor uns, sie mehr als ich.Wir entschieden uns beide für nahe gelegene Zahlen.
    »Das letzte Treffen war hier«, erwiderte sie leise. »Auf dieser Welt, zumindest annähernd. In Venedig.Vor fünf Jahren. Wir haben uns über Einschränkungen der Macht und die Strafen unterhalten, mit denen man rechnen muss, wenn man sich ihnen entziehen will.«
    »Ah ja. Das ging nicht besonders gut für Sie aus, oder?«
    »Bist du schon mal erschossen worden, Tem?«
    Ich musterte sie. »Schon mal?«
    »Tut weh«, fuhr sie fort. »Wie sich der Schock vom Aufprallpunkt über den ganzen Körper verteilt. Wie Wellen in einer Flüssigkeit. Faszinierend.« Ihre Augen wurden ein wenig schmaler, als sie beobachtete, wie sich das horizontale Rad mit blinkender Mitte drehte. »Aber schmerzhaft.«
    Ich schaute mich ein wenig um. Das Kasino war protzig
und geschmacklos