Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
können.
So wie Fieber angeblich keine Krankheit ist, sondern immer nur Symptom des dahinterliegenden Leidens. Nicht die Pforte, durch welche die Dämonen auf unsere Welt kamen, war, so gesehen, das eigentliche Problem! Es war oft genug Fanatismus, der so stark geworden war, dass er das empfindliche Gefüge der Sphären verzerrte und schließlich durchbrach. Keine Religion und kein Glauben ist davor gefeit – erst Recht nicht, wenn Magie ins Spiel kommt! Ihre Anwendung allein kann bereits einen Riss erzeugen – und nun stelle dir Magie vor, die mit rasendem Fanatismus gewirkt wird!«
Tyark begriff erst nach einigen Augenblicken die Tragweite dieser Ausführungen. Und er hatte Mühe, das Gehörte mit der Person eines Bruders des Ordens in Einklang zu bringen. Unsicher fragte er: »Bruder Goswin...meint Ihr damit auch, dass der Glaube an die Großen Alten - verzerrt werden kann? Und damit...Dämonen angelockt werden könnten?!«
Goswins Blick wurde glasig und nach einer Weile flüsterte er zurück: »Könnte? Er hat es getan und wird es wieder tun, Tyark! Vielleicht wird gerade in diesem Moment in irgendeinem Kopf der Glauben verzerrt und verdreht - auch wenn der Orden dies natürlich niemals nach außen dringen lässt.«
Mit scharfem Blick schaute Goswin Tyark urplötzlich an. Eindringlich sagte er: »Es ist wichtig, dass besonders das Letztgesagte unter uns bleibt! Für diese Behauptung gibt es keinen Prozess, keine Verhandlung – die Aburteilung als Ketzer wird so schnell kommen, dass die Flammen deinen Körper schon verzehren, während du dich darüber wunderst, wie du überhaupt auf den Scheiterhaufen gekommen bist!«
Tyark blinzelte verwirrt und erschöpft. Leise fragte er: »Bruder Goswin – sagt, woher wisst ihr das alles?«
Goswin seufzte, sein Gesicht lag in Schatten. »Nun, ich wollte immer verstehen , Tyark. Ich wollte wissen, was diese Welt im Innersten zusammenhält - denn die Großen Alten haben in Ihrer Göttlichkeit sicherlich nicht all dies erschaffen, um uns dann zu sagen: Ihr dürft nicht wissen und nicht fragen!«.
Goswin lächelte betrübt. »Ich habe viel Zeit in Bibliotheken verbracht – und ich habe eine besondere Schwäche für besondere Bücher.«
Er zwinkerte Tyark zu. Müde bemerkte dieser, dass sie wieder vor der schlichten Eingangstür zum Wohnraum Goswins zurückgekehrt haben. Bevor sie eintraten sagte Goswin eindringlich: »Du solltest auch Zaja gegenüber kein Wort über diese Dinge verlieren. Es würde sie nur unnötig in Gefahr bringen. Und außerdem gibt der Glauben ihrem erschütterten Leben den Halt, den sie in den Jahren davor so dringend gebraucht hätte. Eines Tages wird auch sie beginnen, in ihrem Glauben nicht nur das Licht, sondern auch den Schatten zu sehen. Und danach wird sie begreifen, dass es dazwischen auch noch unzählige Grautöne gibt, die nur schwer eingeordnet werden können. Auch für mich war dies ein schmerzhafter Prozess, der viele Jahre in Anspruch nahm.«
Nach kurzem Schweigen fügte Goswin hinzu: »Und am Ende wusste ich, dass ich kein Inquisitor mehr sein kann. Was mir schließlich die Wacht über diesen hübschen kleinen Tempel hier eingebracht hat.«
Er schaute gedankenverloren in den dunklen Himmel über sich. Tyark nickte verstört. Er konnte sich kaum noch konzentrieren und seine Augenlieder wurden schwer. Sein Kopf schmerzte immer schlimmer.
»Du bist vollkommen erschöpft, Tyark. Bitte verzeihe mir meine Rücksichtslosigkeit, ich hätte daran denken müssen! Ihr beide so viel erlebt – und ich salbadere über Elemente und wasweißich! Gehe jetzt gleich schlafen Tyark, ruhe dich aus. Du bist hier willkommen und sicher. Denke heute nicht mehr weiter darüber nach, was ich dir erzählt habe.«
Tark hätte nicht mehr sagen können, wie er die knarrende Holzleiter nach oben gestiegen war, doch plötzlich fand er sich neben Zaja auf dem Stroh des Lagers wieder und noch bevor er eine der groben Wolldecken auf sich legen konnte, war er bereits in tiefem Schlaf versunken.
***
Schweißgebadet wachte Tyark auf, er wusste einige beängstigende Augenblicke lang nicht mehr, wo er sich befand. Doch dann spürte er das Heu unter sich und spürte die warme Sicherheit, die ein festes Dach über dem Kopf vermitteln konnte.
Verschlafen wandte er sich um, in der Hoffnung, Zaja neben sich zu sehen. Doch ihre Bettstatt war leer – er hatte sie gar nicht aufstehen gehört.
Dann waberten flüchtige Eindrücke des letzten Traumes durch seinen Geist.
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