Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
Tyark stutzte. Er meinte sich daran erinnern zu können, dass er wieder an diesem zeitlosen Ort zwischen den Sternen gewesen war, wo die unheimliche Stimme in seinem Kopf mit ihm gesprochen hatte.
Doch diesmal war dort mehr als nur eine körperlose Stimme gewesen – vor ihm hatte eine goldene Maske in der Luft geschwebt. Ausdruckslos, golden und stumm hatte sie ihn aus ihren Augenschlitzen betrachtet. Hatte er mit dieser Maske geredet? Was hatte sie zu ihm gesagt? Tyark rieb sich die Schläfen. Er wusste es nicht mehr – oder wollte er es nicht mehr wissen? Er öffnete die Augen und starrte an die Holzbohlen der Decke über sich.
Er erinnerte sich, dass er zunächst eine wahnsinnige Angst vor dieser Maske gespürt hatte – doch nach und nach hatte sich dieses Gefühl gewandelt. Kurz vor dem Aufwachen hatte Tyark deutlich gespürt, dass diese Maske eines in aller Deutlichkeit ausstrahlte: Pure, konzentrierte Macht. Er runzelte die Stirn, denn in Gedanken sah er plötzlich, wie er in seinem Traum die Arme nach der Maske ausgestreckt hatte.
Er schreckte auf, als er unter sich etwas laut klappern hörte. Rasch vergaß er seine verstörenden Gedanken und kroch vorsichtig an den Rand der Plattform. Unter sich sah er Goswin mit einem schweren Kessel hantieren, den er wohl gerade versucht hatte zu reinigen. Als der Bruder bemerkte, dass Tyark wach war, lächelte er ihn an und sagte: »Na, du bist schon wach?«, er schmunzelte, »Nun, zumindest teilweise, hm? Aber immerhin hast du bereits die Augen offen!«
Ein gutmütiges Lachen füllte den Raum. Goswin sprach weiter: »Nein, ernsthaft: Es ist erstaunlich, dass du überhaupt schon wach bist, so spät wie es gestern geworden ist! Komm herunter und setze dich. Zeit fürs Mittagessen!«
Verwirrt wickelte sich Tyark aus seiner Decke und kletterte die knarzende Leiter herunter, welche zu den Schlafstätten auf der Plattform führte. Er fragte verwirrt: »Mittagessen? Ich bin doch gerade erst aufgestanden!«
Erneut lachte Goswin: »Mag sein, dass du eben erst aufgestanden bist. Aber die Sonne steht bereits am höchsten Punkt, also muss es bereits mittags sein! Du hast den ganzen Morgen verschlafen – auch wenn es mich dennoch etwas erstaunt, dass du jetzt schon wach bist. Ich hätte eigentlich gedacht, dass du nach den durchgestandenen Strapazen mehr Schlaf bräuchtest.«
Goswin brachte ihm Brot mit fetter Wurst an den Tisch, die Tyark sofort gierig verschlang. Erst jetzt begann er langsam, die Entbehrungen der letzten Wochen in seinen Gliedern zu spüren. Kauend fragte er: »Wo ist denn Zaja?«
Goswin lächelte, während er einen Kessel mit Wasser über das Feuer hing. »Zaja ist bereits den ganzen Tag auf. Im Moment betet sie im Tempel, zusammen mit einigen Flüchtlingen. Es tut ihr sicherlich gut, in Zwiesprache mit den Großen Alten zu stehen. Sie hat auch sehr viel erlebt – gerade die Geschichte mit Rynn hat sie tief getroffen, auch wenn sie das niemals zugeben würde.«
Die Erwähnung dieses Namens hinterließ in Tyark ein schales Gefühl, welches er nicht einordnen konnte.
Goswin setzte sich derweil an den Tisch und sagte nachdenklich: »Wir müssen uns weiter unterhalten. Ich weiß, du bist noch müde und all das Wissen überfordert dich – aber du musst erfahren, zu welchen Schlüssen ich gekommen bin. Iss in Ruhe auf, wir wollen dann die Stadt verlassen. In der Nähe ist eine kleine Anhöhe mit den Resten eines alten Tempels der Großen Alten. Ich gehe dort öfters hin, wenn mir die Stadt zu eng wird und ich in Ruhe nachdenken muss oder einfach nur beten möchte.«
Tyark blickte den Bruder erstaunt an und spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. Sein Appetit war plötzlich verschwunden und lustlos kaute Tyark auf seinem Brot herum, während Goswin beiläufig über das Treiben in der Stadt berichtete.
Als Tyark gegessen hatte, drängte Goswin zum sofortigen Aufbruch. Tyark blinzelte in die freundlich scheinende Sonne, als sie vor die Tür des Wohnraumes traten. In der Mitte der Gasse floss ein trübes Rinnsal müde vor sich hin, der Gestank des Gerberviertels war heute intensiver als gestern.
Vorsichtig stapfte Tyark hinter Goswin her. Im Halbdunkel des Andachtsraumes konnte Tyark zunächst nur ein nur ein altes Paar erkennen, das mit den geschlossenen Händen an der Stirn betete. Doch dann löste sich Zajas Gestalt aus den Schatten und kaum auf sie zu.
Sie hatte zwar noch dunkle Augenringe, aber ihr Gesicht sah insgesamt erholter aus als noch am Tag
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