Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
kommt es, dass dieses schreckliche Geschöpf in dieser... Traumwelt eine so unterschiedliche Gestalt hatte? Im Gegensatz zu dem, was wir in der Festung gesehen haben, meine ich. Es erscheint mir geradezu widersprüchlich.«
Goswin rieb sich gedankenverloren den Nacken und sagte schließlich zögerlich: »In der Tat, dieser Teil des Rätsels ist noch vollkommen ungelöst. Es ist einerseits bereits darüber berichtet worden, dass Dämonen manchmal eine Art, hm, Reflektion besitzen, die oft dem Wesen entspricht, aus dem die dämonische Abomination ursprünglich entstanden ist. Ähnlich dem Wahren Namen eines Dämons, der angeblich eine gewisse Macht über den Dämon geben soll. Es ist jedenfalls unerklärlich, weshalb Tyark diese Träume hatte...«
Er warf einen schnellen Seitenblick auf Tyark. Weil ich ein Dämonenjäger bin fügte Tyark in Gedanken hinzu.
»Etwas, hm, Besonderes ist an dieser Medusa. Ich bin zwar kein Experte für Dämonen, aber es erscheint mir, als ob diese Medusa nur zu einem Teil wirklich dämonisch ist. Ein anderer Teil von ihr ist... irgendwie anders. Ich habe die Vermutung, dass dieser Umstand etwas damit zu tun hat, wie diese Kreatur in unsere Sphäre gelangt ist. Ich hoffe sehr, dass wir irgendwann eine Antwort darauf erhalten.«
Er zuckt hilflos mit den Schultern.
Tyark rieb seine Schläfen. Als Zaja die Frau erwähnte, hatte es ihm einen Stich in den Unterleib gegeben. Er fühlte kurz, wie Sehnsucht in ihm aufwallte und immer noch schrie etwas in ihm zumindest kurz nach dieser perfekten Liebe, die er hatte kurz spüren dürfen. Das perfekte Gefühl. Er kämpfe den Aufruhr runter, seine Kopfschmerzen waren schlimmer geworden. Er stand auf und wünschte Goswin und Zaja eine gute Nacht – es würde die letzte in diesem Tempel für lange Zeit sein, das wusste er.
***
Als die junge Frau in der Nacht aufschreckte, roch sie nicht nur das brennende Kloster. Ein anderer Geruch lag in der Luft. Eisenhaltig, süßlich, schwer. Das Knistern und Krachen brennenden Holzes lag in der Luft. Sie brauchte seltsamer Weise einige Augenblicke, um zu verstehen, dass es Menschen waren, die ihre verzerrten Schreie wie Tiere in die Nacht hinausbrüllten. Und sie begriff sofort, dass dies nur ein Alptraum sein durfte. Nichts anderes würde sie sich jemals eingestehen! Ein Alptraum, in dem ihre Schwester Rache nahm. Rache für Unrecht, das Älter war, als das Kloster, vielleicht sogar älter, als das Land selbst. Rache, in der eine Mordlust brodelte, die unmöglich die eines einfachen Menschen sein konnte.
Tränen zerrten an ihren Wangen und schlafwandlerisch zog sie sich ihre schäbige Gewandung über. Der flackernde Schein von Feuer zeichnete sich auf ihrem bleichen Gesicht. Traurig blickten ihre tiefen, dunklen Augen in weite Ferne. Vor ihr lag das Kloster, welches nun ein Jahr ihre Heimat gewesen war. Eine Heimat, welche sich in einer Nacht in eine feuerblutende, entsetzliche Hölle verwandelt hatte. Eine Hölle, entfacht von Kräften, welche die Frau niemals verstehen konnte – oder wollte. Eine Heimat, in deren steinerner Brust ein Wesen tobte, das zu begreifen kein menschlicher Verstand imstande gewesen wäre. Ein Wesen, das so voller Lust und rasendem Zorn und verzehrender Grausamkeit zugleich war – und das in einem blutigen Tanz mit der Schwester der Frau vereint war.
Sie summte leise ein Lied, welches ihre Mutter immer zu singen gepflegt hatte, als sie an ihrer Bettstatt saß. In einer lange vergangenen Zeit, die heute nur noch der Schatten eines Traumes zu sein schien.
Das Toben des Feuers, das Schreien der Mönche, der anderen Flüchtlinge, der Frauen und ihrer Kinder, alles floss zusammen in einen Fluss aus Blut, Grauen und Angst, der sich zäh durch das Kloster wälzte und alles verschlang, dass sich in seinem Weg befand.
Den Blick gesenkt trat die Frau aus ihrer Hütte, die zarten Füße vorsichtig auf den durchnässten Rasen setzend, wissend, dass schon lange kein Regen mehr gefallen war. Sie schritt in Richtung der Abtei, als wüsste sie genau, dass ihre Schwester dort drinnen sein würde. Zusammen mit etwas anderem, Unbegreiflichem. Sie spürte rasende, geifernde Schatten, die flüsternd und gierig Jagd machen, spürte die restlichen lebenden Mönche, welche sich gegenseitig in Stücke schlugen. Gefressen wurden. In der Luft zerfleischt wurden. Deren Knochen zu Splittern zermalmt wurden. Sie spürte das Grauen in der Abtei, welches das vergossene Leben gierig in sich aufsog, fühlte
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