Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
Großen Alten. Oder wo auch immer die Großen Alten gelebt haben. Sie soll jedenfalls immer noch dort sein. Unter all dem Sumpf und Schlamm.«
Sein Blick verfinsterte sich: »Wer auch immer Recht hat – das Moor ist kein Ort, den man ohne Not durchqueren sollte. Schon so mancher hat es versucht und ist verschluckt worden. Wenn du mich fragst: Man sollte nicht erwarten, leichtfüßig über Gor’Gatas Schlund spazieren zu können, ohne gefressen zu werden. Selbst die Harpyien scheinen diesen Ort nicht zu mögen! Und wenn schon die Windbräute sich davon fernhalten, sollten wir das ebenfalls tun.«
Er spuckte aus und fluchte leise. Unbehaglich blickte Tyark über das riesige Moor, welches nun zwischen den dichten Bäumen zu sehen war. Es schmiegte sich an die Ausläufer einer hohen, unbezwingbar erscheinenden Gebirgsausläufers. Er konnte aus der Ferne merkwürdig dunkle Baumreste erkennen, die ihre wenigen, dürren Äste in den Himmel streckten.
Hier und dort waren kleinere Inseln aus großen Steinen zu sehen, ansonsten nur flache Pflanzen, zwischen denen manchmal schwarze Wasserflächen aufblitzten.
Pereo wies auf eine dieser Inseln und sagte: »Diese Inseln sind besonders tückisch. Denn sie sind meist umsäumt vom schwarzen Wasser Gor’gatas. Ganz flach scheint es zu sein. Doch oft genug sind sie so tief, dass sie ganze Divisionen verschlucken können, ohne dass auch nur eine Leiche wieder auftaucht! Und selbst wenn sie einmal flach sind, so saugt der Boden einen förmlich an und ohne ein festes Seil kann man sich nicht mehr befreien!«
Pereo schüttelte sich und erklärte, dass er vermeiden würde, auch nur die kleinsten Ausläufer des Moores zu streifen. Tyark nickte beeindruckt: Die Grate waren wahrhaftig von einer wilden, unbeherrschbaren Natur erfüllt! Er verstand Pereos Glauben an den Göttervater Thornbolt, auch wenn dieser vom Orden zu Recht als falsch bezeichnet wurde, denn es gab in Wirklichkeit eben nur die Großen Alten.
Doch in einer solchen grausamen und willkürlichen Natur konnte nur der Starke überleben und jeder Fehler wurde unerbittlich bestraft. Und die Naturgewalten schienen so gewaltig und geheimnisvoll, dass in der Tat nur rachsüchtige Götter dahinterzustehen schienen.
In der folgenden Nacht hörten sie erneut das Wolfsrudel seine Klagen an die schlafenden Riesen der Grate richten. An Träume konnte sich Tyark nicht erinnern, nur an das Gefühl, nach unten gezogen zu werden, als stecke er in einem dieser dunklen Tümpel. Knöcherne Hände der Ertrunkenen griffen nach seinen Beinen und zogen ihn immer weiter nach unten. Seine Nägel krallten sich in den moorastigen Boden und hinterließen dort ihre Spuren – bis das schwarze Wasser über ihm glucksend zusammenschlug.
***
Nach weiteren zwei Tagen hörte Tyark die erlösenden Worte: »Wir sind bald da! Heute Abend wirst du mit mir am Feuer sitzen und die wunderbare Wärme des Riesenbräus in Deinen Eingeweiden spüren, O ja!«
Pereo schien fast vergnügt, zumindest soweit Tyark das im kaum ergründbaren und vernarbten Gesicht seines Begleiters erkennen konnte.
Es nieselte, der stetige, kalte Wind des Gebirges wehte ihnen entgegen und Tyark tränten davon die Augen.
»Ein unglaublich Kalter Sommer. Habe ich so noch nie erlebt.«, brummte Pereo.
Tyark entgegnete: »Nein, wahrlich nicht. Ein alter Kaufmann aus dem Süden hat mir gesagt, dass auch er noch nie einen solch kalten Sommer erlebt habe. Er meinte, das hänge mit dem Bösen zusammen, welche sich aus dem Süden und Osten ausbreite. Der Horde.«
Pereo blickte grimmig in den Himmel: »Ja, die Horde. Das ist gut möglich. Ich habe noch vor wenigen Wochen gegen die Ausgeburten gekämpft, welche sie aus ihrem Leib presst. Sie vergiftet aber auch die Herzen der Menschen. Krieg und Tod ist das Einzige, was der Süden seit sechs Jahren kennt. Und so wie es aussieht, bald auch der Norden.«
Tyark musste an seine Flucht denken. An seine Eltern, die nun tot waren. An all die Freunde, die er verloren hatte, als die Stadt eingenommen wurde. Seine Frau. Als er an sie dachte, schnürte Panik seine Kehle zu: Er schaffte es nicht mehr, sich an ihr Gesicht zu erinnern! Das Gesicht der Frau, mit der er sein Leben hatte teilen wollen. So sehr er sich bemühte, es gelang ihm einfach nicht! Eine Faust aus Eis umschloss sein Herz und er spürte, wie Tränen in seinen Augen brannten.
Er war froh, als Pereo ihn aus seiner Agonie riss: »Hab ich‘s nicht gesagt! Heute Abend sind wir da,
Weitere Kostenlose Bücher