Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
Grate. Hatte Rynn nicht auch auf einem Thron gesessen? War nicht auch sein Gesichtsausdruck entspannt, gar friedlich gewesen? Tyark erinnerte sich an die Verlockungen unendlicher Liebe, mit denen ihn die Medusa einst zu umgarnen versucht hatte. Bei diesem Fürsten hatte sie mehr Erfolg gehabt.
Sein Blick fiel auf einen dunklen Haufen neben dem Thron und er sah, dass er weitere Leichen waren, vielleicht ein Dutzend an der Zahl. Diese Leichen wiesen keine offensichtlichen Verletzungen auf, fast schien es, als schliefen die Männer und Frauen nur. Viele von ihnen hatten ebenfalls ein friedliches Lächeln auf dem toten Gesicht.
Arana murmelte: »Ich frage mich, woran die hier gestorben sind. Verletzungen sehe ich keine. Gefoltert wurden die hier anscheinend auch nicht.«
Tyark kniete sich nieder und untersuchte einige der Toten genauer. Schließlich sagte er dunkel: »Sie wirken fast... glücklich . Ich glaube, sie sind allesamt einfach erfroren. Als ob sie hier einfach tagelang gesessen hätten.«
Er stand auf und schwieg einen Augenblick, während er die toten mit glasigem Blick betrachtete. »Ich habe so etwas schon einmal gesehen, als ich das erste Mal auf die Medusa getroffen bin. Damals waren es Bergleute. Die sahen aus, als wären sie einfach verdurstet. Ich glaube, wenn die Medusa die Gewalt über manche Menschen gewinnt, hören sie auf, Menschen zu sein. Sie werden wahrscheinlich zu... ihren Werkzeugen. Wahrscheinlich haben auch die hier, nachdem sie die Folterungen und Tötungen beendet hatten, sich einfach hingesetzt und selig auf irgendetwas gewartet. Und sind dann erfroren...«
Arana blickte ihn kurz an, ihre Kiefermuskeln traten drahtig hervor. Sie schwieg.
Plötzlich hallte ein langes, unheimliches Geheul über den Burghof und sie beide zuckten zusammen. Irgendwo ganz in der Nähe stieß ein Wolf seine einsame Klage in die dunkle Nacht. Doch bevor Tyark weiter darüber nachdenken konnte, hörte er plötzlich das entsetzte Rufen Zajas hinter sich: »Tyark, Arana! Die Medusa! Sie kommt!«
Arana schnellte blitzartig herum und stürmte dann auf die Mitte des Hofes zu, bevor Tyark überhaupt sein Schwert zücken konnte. Im fahlen Licht der Kristalle sah er, wie sich in der Mitte des Steines rasend schnell eine Fläche aus schwarzem Wasser gebildet hatte. Dann bildete sich, wie bereits in der Festung, eine Ausstülpung, die rasch in die Höhe wuchs. Arana war bereits am Rande der Platte angekommen und attackierte die Gestalt aus schwarzem Wasser. Doch ihre Katare glitten mit einem schrillen Geräusch ab und Arana wurde mit einem Schrei zurückgeschleudert. Im selben Moment rann das Wasser wieder herunter und gab die entsetzliche Gestalt der Medusa frei.
Wie gelähmt sah Tyark, dass sie größer geworden war. Und schneller, viel schneller. Sie hat gefressen und ist gewachsen. Und sie zeigt sofort ihr wahres Gesicht, keine Versteckspiele mehr, dachte er betäubt. Dunkle Schatten hatten sich auf dem Kopf der Medusa gebildet und begannen bereits, mit schlängelnden Bewegungen länger zu werden. Die Haut des Dämons bestand aus vielen einzelnen Hautlappen, darunter lag brodelnde Dunkelheit. Ein Feuerstrahl zerplatzte darauf - Muras hatte seinen Mut wiedergefunden und gezaubert. Schnell bewegte sich der Dämon in Richtung Muras‘, der mit Zaja immer noch vor dem Burgtor stand. Tyark spürte instinktiv die Schwäche in Muras‘ Zauber und wusste, dass sie nicht viel Zeit haben würden.
Er stürmte mit einem hasserfüllten Schrei los und griff an. Geschickt wich er zwei der schattenartigen Schlangen aus, die bereits etwa drei Meter lang waren und lautlos nach ihm schnappten. Er stieß seine Klinge tief in einen der Hautlappen, der die grauenhafte Form eines kleinen Oberkörpers hatte. Er spürte, wie seine Klinge zäh in die Medusa eindrang. Der Dämon dreht sich blitzschnell um und ihre langen, klauenbewährten Arme schlugen nach ihm. Er konnte nicht schnell genug ausweichen und spürte den harten Schlag gegen seine Schläfe im ganzen Körper. Dunkelheit umhüllte ihn.
Die schwarzhaarige Frau schrie, als der geliebte Mensch sie langsam vom Leben in den Tod beförderte. Erst im Moment des Sterbens begriff sie, wie tief der Verrat ihrer Schwester wirklich gewesen war. Der Verrat ihrer eigenen Schwester. Adaque. Immer war es Adaque gewesen. Adaque, die sie mithilfe der bestialischen Männer aus ihrer Hütte gezerrt hatte. Adaque, die grinsend zugesehen hatte, wie ihre eigene Schwester geschändet wurde.
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