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Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)

Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)

Titel: Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Sulz
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mittlerweile dem Feuer zugewandt hatte und gedankenverloren mit einem Stock in den Flammen herumstocherte. »Ich bin noch nicht allzu lange Schwester des Ordens, musst du wissen. Ich bin jetzt 24 Jahre alt und erst seit meinem 20. Lebensjahr im Orden.«
    Sie fasste seine Hand und Tyark spürte, wie sein Herz schneller schlug.
    »Bitte teile den anderen nicht mit, was ich dir jetzt erzähle. Ich will es selbst erzählen, wenn ich denke, dass die Zeit dafür reif ist.«
    Tyark nickte stumm.
    Zaja fuhr fort: »Meine Eltern und meine ältere Schwester wurden getötet, da war ich vielleicht vier oder fünf Jahre alt. Ich komme aus der Alten Kaiserstadt , der Hauptstadt des Westreichs.
    Kaiser Thrakan war seit Jahren im Feldzug gegen König Dragornis aus dem Süden verwickelt. Sein Stellvertreter, der Truxis, sollte den Stadtfrieden bewahren, nutzte die Abwesenheit des Kaisers aber aus, seine eigene Macht auszuweiten.
    Er denunzierte seine Gegner und ließ sie dann mitsamt ihren Familien verhaften... Meine Eltern waren leider auch dabei, da sie in engem Kontakt zu einem Fürsten gestanden hatte, der angeblich gegen den Truxis und sogar den Orden intrigiert haben soll. Aber eigentlich weiß ich bis heute nicht, was genau ihnen vorgeworfen wurde. Eines Nachts drang jedenfalls die Stadtwache in unser Haus ein - mein Vater wurde noch im Bett erstochen. Ich konnte entkommen, aber die Schreie meiner Mutter und meiner Schwester konnte ich noch lange hören.«
    Sie brach ab und blickte gedankenverloren ins Feuer.
    Wind blies durch die lückenhaften Bretter in die Hütte und ließ das Feuer leise knistern. Stockend erzählte Zaja weiter: »Meine Mutter hat sich wenige Wochen später selbst getötet. Sie hat sich angeblich im Kerker des Fürsten erhängt. Was aus meiner Schwester geworden ist, habe ich nie erfahren. Ich glaube aber, dass auch sie tot ist.«
    Tyark schwieg betroffen. Er ahnte, was Zaja durchgemacht haben musste. Er kannte viele dieser Geschichten - und im Grund ähnelten sie sich alle.
    Zaja sagte: »Der Orden verurteilt die Selbsttötung, wie du weißt. Sie wurde in ungeweihter Erde verscharrt. Ich weiß nicht, wo.«
    Sie verfiel in längeres Schweigen und fuhr dann leise fort: »Ich wurde von einem Kaufmann nach Lindburg mitgenommen – doch offensichtlich war ich ihm eine Last, denn er ließ mich eines Morgens einfach zurück. Ich wäre verhungert, wenn mich nicht Paolo, ein Mitglied der Fenix, gefunden hätte.
    Ich weiß nicht, warum er mit mitnahm, aber es war meine Rettung. Ich habe nicht lange gebraucht herauszufinden, dass die Fenixe im Grunde nichts anderes als eine Diebesbande waren.«
    Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie fügte hinzu: »Eine Bande, die eigentlich nur aus hungernden Kindern und Jugendlichen bestand. Aber wir hatten mehr Ehre, als so mancher Fürst oder Magier! Wir halfen einander und kümmerten uns. Ein Fenix lässt den anderen nie allein! , verstehst du?«
    Sie blickte Tyark an, ihr Blick schien aber durch ihn hindurch zu gehen. Tyark nickte stumm.
    »Mit elf Jahren hatte ich schließlich meine Aufnahmeprüfung , ich habe sie so gut bestanden, wie kaum einer nach mir oder vor mir! Aber je älter ich wurde, desto mehr habe ich begriffen, dass gerade die älteren Fenixe sich nicht nur auf das Stehlen beschränken. Wir haben... ich habe Dinge getan, für die es keine Entschuldigung gibt und für die ich mich nach meinem Tode werde verantworten müssen.«
    Sie war aufgestanden und stand mit verschränkten Armen in einer Ecke des Zimmers. »Ich wurde einmal beim Stehlen von Fleisch erwischt – mein Ohr zeugt noch heute davon. Ich wurde verurteilt und musste monatelang in den Kerkern des Fürsten dahinvegetieren. Ich habe in dieser Zeit sogar oft daran gedacht, mir auch das Leben zu nehmen, weißt du. Ich ertrage einfach das Gefühl nicht, eingesperrt zu sein. Aber noch schlimmer ist für mich das Gefühl der Hilflosigkeit – und im Kerker fand ich beides zugleich.«
    Ihr Blick huschte unruhig durch den kleinen Raum. »Ich war an Körper und Seele halbtot, als ich endlich auf die Straße geworfen wurde und wäre wahrscheinlich noch in dieser Nacht erfroren, wenn ich nicht auf Bruder Goswin getroffen hätte. Ich war erst voller Zorn und Hass auf ihn, denn er war nicht nur ein Mann, sondern auch noch ein Bruder des Ordens! Aber ich war zu schwach. Er pflegte mich viele Wochen und langsam wurde ich gesund. Er hat viel mit mir geredet und sich nicht nur um die körperlichen Wunden bemüht,

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