Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
von ihr . Seine Träume waren allerdings chaotisch und oft genug erwachte er schweißgebadet mitten in der Nacht. Doch es waren wohl nur die üblichen Alpträume über seine Flucht. Manchmal meinte er vage Erinnerungen daran zu haben, das Gesicht Mayras gesehen zu haben. Doch rasch verwischte er diese Erinnerungen. Tote sollten ruhen und bei den Lebenden umherwandern! Doch gerade die wilde Einsamkeit der Berge erzeugte eine manchmal nur schwer zu ertragende Sehnsucht in ihm.
Auch Zaja schlief unruhig, oft genug jammerte sie im Schlaf und manchmal stöhnte sie leise. Tyark beobachtete sie dabei still und beschloss, dass es vielleicht besser war, sie allein mit ihren eigenen Dämonen ringen zu lassen.
Der Jäger Jobdan war am Tag nach ihrer Besprechung mit Mandolf wieder in den südlichen Wäldern verschwunden und so mussten sie fast zwei Tage warten, bis er wieder im Dorf auftauchte.
Es war an einem schwülwarmen Spätsommerabend, als sie Jobdan in einer kleinen, zur Schankstube umgebauten Hütte aufsuchten. Die Anfeindungen der Dorfbewohner gegenüber Zaja waren in letzter Zeit etwas abgeflaut, allerdings fluchten einige immer noch hinter vorgehaltener Hand, sobald sie diese erblickten. Zaja ließ sich nichts anmerken, selbst als einer der Bauern ihr gut hörbar hinterherrief, was hierzulande mit diebischen Hexen zu tun gepflegt wurde.
Zajas einzige Reaktion war gewesen, ihre Kapuze tiefer ins ihr Gesicht zu ziehen, aber ihr Gesicht verriet eine tiefe Verletzung über diese boshaften Worte. Bei dieser Gelegenheit war Tyark aufgefallen, dass es ihm zunehmend leichter fiel, in den Gesichtern der Menschen zu lesen. Es war ihm zwar schon früher recht leicht gefallen, aber seit einigen Tagen erschienen ihm die Gesichter die Bewohner Schwarzbachs nicht nur immer vertrauter, sondern geradezu wie Bücher.
Verletzungen konnte er darin erkennen, Freuden – heimliche wie auch offensichtliche -, Ängste und Gedanken.
Auch Zaja war aufgefallen, dass er offensichtlich eine ungewöhnliche Art an sich hatte, jemanden anzuschauen. Zwei oder drei Mal hatte sie ihn bereits darauf angesprochen, dass er neuerdings eine, wie sie es ausdrückte, intensive Art hätte, in die Gesichter der anderen Menschen zu schauen – und dass ihr dieser Blick manchmal sogar irgendwie unangenehm sei.
Tyark wunderte sich heimlich. Es schien ihm fast, als wäre eine Gabe in ihm erwacht, von der er vorher nicht einmal eine Ahnung gehabt hatte! Auf geradezu spielerische Weise war er fasziniert von seinen Fähigkeiten. Allerdings gab es einige Menschen, die für ihn so undurchdringlich waren wie eh und je - Mandolf, dessen Vater und Bertold – einer der Waldbauern – gehörten dazu. Sie erschienen ihm wie steinerne Abbilder, er konnte nur darin erkennen, was offensichtlich war.
Und auch Pereos versteinertes Gesicht verriet ihm nichts. Es war, als sei hinter der narbigen Maske eine Dunkelheit, die Tyark nicht zu durchdringen mochte. Er hatte auch mitbekommen, dass Pereo beim Schmied eingezogen war – es hatte wohl Streit mit seiner Halbschwester gegeben. Tyark wusste allerdings nicht, warum der Krieger von seiner Verwandten aus dem Haus verbannt worden war und er traute sich auch nicht, zu fragen.
Als die drei die Schankstube betraten, sahen sie neben dem Schmied noch vier weitere Bauern, die in Gespräche vertieft waren und an ihren Schwarzbieren nippten. Humbor begrüßte Pereo mit einem Kopfnicken und hob einladend seinen Krug, was Pereo aber durch ein kurzes Kopfschütteln verneinte.
Erin der Gerber war der Schankwart und nickte ihnen ebenfalls zu, als sie den durch Kerzen und eine rußige Feuerstelle spärlich beleuchteten Raum betraten. Sie brauchten einen Augenblick, um Jobdan zu entdecken – dieser saß in der dunkelsten Ecke des Raumes und schien sich förmlich an seinem Tonkrug festzuhalten. Während Pereo bei Erin Bier bestellte, setzten sich Tyark und Zaja zu Jobdan an den Tisch. Wie Tyark feststellte, war auch Jobdan nicht schwer zu lesen , wie er es mittlerweile nannte. Seine Augen starrten sie müde und rot unterlaufen an, als sie sich an den Tisch setzten. Es wirkte fast so, als ob Jobdan schon einige Zeit nicht mehr geschlafen hätte, tiefe dunkle Augenringe verstärkten diesen Eindruck noch. Sein Gesicht wirkte eingefallen und bleich, die dunklen Haare waren strähnig.
»Was wollt ihr?«
Tyark begrüßte Jobdan höflich und erklärte dann: »Wir sind hier, weil wir deine Hilfe brauchen. Wir wollen...«
»Ins
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