Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
werdend, die Natur schien auszuatmen.
Es brauchte eine Weile, bis seine Knie wieder sicher auftreten konnten, ohne zu zittern. Die letzten Meter zum Bach schaffte er ohne weitere Probleme und fast wäre ins Wasser des kleinen Baches gefallen, welcher sich versteckt zwischen den Wurzeln der Bäume und groben Felsbrocken durch den Wald schlängelte.
Aus dem Augenwinkel sah er eine Bewegung und war einen Augenblick lang überzeugt, dass weitere Krähen dort saßen... und diesmal nicht nur beobachten würden. Diesmal würden sie ihre scharfen Schnäbel benutzen und ihm ins Gesicht fahren... Doch dann erkannte er Zaja, die mit dem Rücken zu ihm hinter einer Biegung des Baches im Wasser stand. Sie war unbekleidet und hatte ihn anscheinend nicht gehört. Eigentlich hätte er ihr zurufen sollen, um sich bemerkbar zu machen, doch er blieb einfach nur stehen und beobachtete die Bewegungen ihres schlanken Körpers, als sie ihren Pferdeschwanz wusch und wieder hinter dem Kopf zusammenknotete. Auf ihrem Rücken waren deutlich einige vernarbten Striemen zu sehen, die sie während ihrer Gefangenschaft im Kerker zugezogen haben musste.
Als sie begann aus dem Wasser zu waten, konnte Tyark sehen, dass sie um die Hand- und Fußgelenke ebenfalls Vernarbte Male hatte. War sie sogar einmal längere Zeit angekettet gewesen?
Zaja war mittlerweile am Ufer angekommen und begann, ihre Gewandung anzuziehen. Die Reise über die Grate hatte deutliche Spuren hinterlassen. Ihr drahtiger Körper war von blauen Flecken, Striemen und verkrusteten Wunden überzogen. Doch seltsamerweise erschien gerade das reizvoll für Tyark. Von ihren flachen Brüsten tropfte Wasser, als sie ihre Haare auswrang. Tief in sich spürte Tyark ein Verlangen, das er fast schon vergessen hatte. Er spürte einen Stich in der Magengegend. War es Verrat an Mayra, dass er so über eine andere dachte?
Tyarks Blick wurde glasig. Wie ein leiser Windhauch wehte ein fremdartiger Gedanke in seinem Kopf umher. Es war die Gewissheit, wie sehr Zaja doch verblasste... im Glanze der ewigen, perfekten Schönheit, die er in der unheimlichen Frau gesehen hatte. Eine Kerze, die man vor die Sonne gestellt hat: so klein, so voller Makel... und so zerbrechlich...so schwach! flüsterte es in seinem Kopf. So menschlich.
Er runzelte seine Stirn und schalt sich selbst. Wie konnte er so etwas über Zaja denken! Tyark zwang sich dazu, an die tiefe und grausame Schwärze zu denken, die er doch ebenfalls in dieser Frau, oder was auch immer sie war, gespürt hatte! Dort war nicht nur zeitlose Schönheit und Anmut gewesen! Dort war auch etwas, das nur darauf wartete, ihm die Seele zu zerfetzen!
Er blickte Zaja an - diese stutzte und blickte ihn direkt ins Gesicht. Etwas zuckte um ihre Augen und ohne Hast bückte sich nach ihrer Gewandung und kleidete sie sich weiter an. Tyark fühlte sich wie ein kleiner Junge, der bei etwas Schändlichem ertappt worden war. Beschämt grüßte er Zaja und trat unsicher von einem Bein aufs andere.
Zaja kam auf ihn zu und während Tyark nur eine schwache Entschuldigung murmeln konnte, sagte sie schlicht: »Ich bin fertig, du brauchst nicht länger warten. Der Bach gehört ganz dir.«
Tyark spürte, wie er rot wurde. Doch Zaja war längst an ihm vorbeigegangen und verschwand ohne weitere Worte in Richtung des Lagers.
***
Es war bereits früher Nachmittag, als sie endlich am Beginn des Trollbauchtales angekommen waren. Der Regen hatte aufgehört, war aber dafür von einer drückenden Schwüle abgelöst worden. Schwere, unheilvolle Wolkentürme waren bereits am Horizont zu erkennen und wirkten auf Tyark wie Zeigefinger, die drohend im Himmel standen.
Fliegen und blutsaugende Insekten umschwärmte die kleine Gruppe, als sie auf einer kleinen, grasbewachsenen Anhöhe stehend den unter ihnen liegenden Wald überblickten. Am Ende des Waldes erhob sich ein steiler Abhang in Richtung des Gipfels und verschwand zwischen bizarren Felszacken. »Dort hinten – ich glaube, man kann dort ein Haus erkennen?«
Zaja blinzelte in Richtung des Trollbauches, der sich dunkel und riesig am Ende des Tales in den Himmel erhob. Pereo nickte und sagte: »Ja, ich denke auch, dass es ein Haus ist. Ich meine sogar, irgendwelche Holzgerüste zu erkennen. Sie scheinen an der Flanke des Berges aufgebaut zu sein.«
Jobdan hustete schwach und sagte leise: »Ja, dort muss es sein. Wir haben es geschafft, endlich... Wir müssen im Tal aufpassen. Am Trollbauch soll es eine große Styga geben...
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