WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)
Artefakt auch immer bestehen mochte, er war davon überzeugt, dass er jetzt seinem Volk die entscheidende Hilfe bringen konnte. Wenn er ihnen erst einmal dieses Artefakt zeigte, wü rden sie schon verstehen, warum er sich auf dieses risikovolle Wagnis eingelassen hatte.
Aber selbst wenn die Anführer ihn trotzdem zum Tod verurteilen wü rden, ginge er tapfer diesen letzten bitteren Weg. Das Wichtigste war, dass er es versucht hatte.
So schritt er zuversichtlich auf den immer noch auf den See hinaus -schauenden Mann zu, sprach ihn von hinten in der Zwergensprache an. „Verzeiht Herr, dass ich euch so lange warten ließ, aber ich konnte nicht …“
Weiter kam Thoron nicht, denn der Mann hatte sich mit einem er -schreckten Ruck zu ihm umgedreht, schaute ihn entgeistert an.
Bevor Thoron so richtig begriffen hatte, was vor sich ging, hatte sich der Mann umgedreht, und war schreiend am Ufer entlang fortgelaufen. Für einen Moment war Thoron versucht, diesem verängstigten Men -schen nachzulaufen, aber dann begriff er, wie wenig dies Sinn machte.
Wer dieser Mensch dort auch immer war, er war mit Sicherheit kein Mann, der auf ihn gewartet hatte, um ihn ein allmächtiges Artefakt zu überlassen.
Er, Thoron, Gabors Sohn, war zu spät gekommen!
Die letzte Hoffnung war vertan. Er … sie alle würden … sterben … sterben …
Seine Beine gaben plötzlich unter ihm nach, und er ließ sich am Ufer niedersinken. Geschlagen lag er dort lange auf seinem breiten Rücken, so wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft schnappend, bemerkte über sich nur vage, wie sich eine dunkle Wolke vor die Sonne schob. Mit seinem beharrten Handrücken wischte er sich seine Tränen aus den Augen. Er schluchzte laut. In raschen, rhythmischen Abständen hob sich seine Brust unter dem ledernen Panzer und fiel gleich wieder in sich zusammen. Alles war verloren!
Es würde kein Artefakt, keine letzte Hilfe für sein Volk geben!
Niemals!
Thoron wusste nicht, ob er einfach nur zu spät gekommen war, oder ob er einfach nur den trügerischen Versprechungen eines Traums ge -folgt war, der ihm leere Versprechungen gemacht hatte.
Egal! Alles war vergebens! Keine Rettung! Nicht für sein Volk! Nicht für ihn!
Als Thoron mit seinen Blicken einem dampfenden Schiff weit in der Ferne zuschaute, ballte er seine Hände wieder zu Fäusten. Was immer auch geschehen würde, er würde zu den Seinen zurückkehren, würde ihnen sagen, was er gemacht hatte. Sollten sie ihn doch zum Tode verurteilen. Seine einzige Hoffnung war, dass alles schnell, sehr schnell gehen würde.
Er hatte alles versucht, aber er war gescheitert. Endgültig!
Wie hätte Thoron wissen können, dass noch am selben Tag weit mehr Unglück auf ihn wartete?
Als Thoron sich nach langer Zeit klar machte, es würde keinen Sinn ergeben, weiter dort am See auf eine Wendung seines Schicksals zu warten, machte er sich mit schleppenden Schritten auf den Rückweg zum Nachtlager, wo er seine Leibwache im Nebel der Nacht zurück-gelassen hatte.
Hätte er seiner Umgebung mehr Aufmerksamkeit geschenkt, hätte er sicherlich die düstere Unruhe im Wald bemerkt. Krähen krächzten wild durcheinander. Eine vorbeihuschende Füchsin winselte. Ein Specht klopfte unheilverkündend gegen einen morschen Baumstamm. Der Wind formte hohle Pfeiftöne in den Baumkronen.
Aber all dies bemerkte Thoron in seiner Niedergeschlagenheit nicht.
Was ihn dann jedoch plötzlich sehr beunruhigte, war, dass keiner der Zwerge auf ihn zukam, um ihn Vorhaltungen über sein heimliches nächtliches Verschwinden zu machen.
Was …? Was war das?
Zwei Beine ragten hinter einem dicken Baumstamm hervor. Er lief, so schnell es seine kurzen Beine erlaubten, hin. Ein Zwerg seiner Leib -wache lag dort. Um seinen Kopf bemerkte Thoron einen großen run-den Fleck.
Blut!
Die Augen des Zwergs starrten leer vor sich. Kein Zweifel: Er war tot. Es war Sevin, der Sohn von Geron, dem obersten Anführer ihres Zwergenvolkes.
Als sich Thoron über ihn beugte, bemerkte er neben dem toten Zwerg einige Runen, die Sevin wohl im Todeskampf in den feuchten Wald -boden gedrückt haben musste. Thoron las: Andere … verschleppt … Hüte dich! … Betrug!
Wenn Thoron auch den ganzen Sinn dieser Runen nicht gleich er fasste, so war doch klar, dass seine Kameraden im Schlaf von ihren Feinden überrascht und ermordet oder verschleppt worden waren.
Was hatte der Rest zu bedeuten?
Ein absurder Gedanke fraß sich in seinem Kopf fest.
Was wenn
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