WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)
als nächste umgarnen würde, stand in den Sternen. Warum Pläne machen, wo doch jeder Tag neue Gelegen-heiten bot.
„He, aufstehen.“
Eine Stiefelspitze traf Felim in die Rippen. Er schreckte aus einem Traum hoch, der in dem Augenblick zerstob, als er in das zerfurchte Gesicht des Stadtbüttels blickte.
„Der Rat will dich sehen. Also spute dich.“
Felim goss sich eine Handvoll Wasser über den Kopf, rieb sich ein paar Mal durch die Augen und schlüpfte in seine Schuhe. Nicht mehr als ein paar Lederbänder, die um die Füße gewickelt und verknotet wurden. Die teuren Stiefel lagen sonstwo.
Felim versuchte, in dem Gesicht des Büttels zu lesen. Warum wollte der Rat ihn sehen? Hatte er die Geduld eines Ratsmitglieds verschlis -sen? Er hatte immer damit gerechnet, dass irgendwann einer der Rats-herren, sein Mütchen an ihm kühlen würde. Aber auch der Rat brauch-te seine Dienste als Bote. Niemand konnte solche Aufträge unauffäl-liger erledigen als er. Sollte der Rat das vergessen haben, würde er ihn schon daran erinnern. Trotzdem, Felim war nicht wohl in seiner Haut.
„Felim? Tritt näher.“
Felim spürte einen Stoß im Rücken, der ihm anzeigte, er möge näher an das Podest treten, auf dem der Ratsherrentisch stand. Dann verrieten ihm die harten Schritte der Nagelstiefel, dass der Büttel sich zurückzog.
Warum mussten sich hohe Herren immer noch weiter erhöhen und waren nicht mit ihrer Amtskette zufrieden. Leute wie er konnten jetzt ständig nach oben schauen und sich dabei eine Genickstarre holen. Aber vielleicht war es genau das, was diese Kerle wollten.
„Man sagt, Felim, du hättest ein Händchen für Damen.“
Menthils Stimme war von rauer Wärme. Er war der Älteste, Witwer seit langen Jahren, der nur für sein Amt lebte. Felim entschied sich für ein harmloses Gesicht mit jungenhaftem Lächeln.
„Ich hoffe für dich, es stimmt, was man über dich erzählt. Denn nun geht es um dein Leben.“
Das konnte doch wohl nur ein Scherz sein. Und kein guter obendrein. Felim Blicke huschten über die Gesichter der übrigen Ratsmitglieder. Aus Toras Augen sprang ihm Hass entgegen, Kerke, der Fisch, schaute ausdruckslos wie immer aus seinen etwas vorstehenden Augen. Dessen Frau passte in ihrer etwas kühlen Art genau zu ihm, was sie allerdings nicht daran gehindert hatte, ihn um eine Massage gegen ihr Hüftleiden zu bitten. Kieslings Frau kannte er ebenfalls besser, als er es durfte. Aber Kiesling hatte ihn erwischt, verprügeln lassen und ihm gesagt, dass er bei einem zweiten Mal nicht so glimpflich davonkommen wür-de. Der Vierte im Bund war Herran. Verheiratet mit der tugendhaften Laine. Es hatte ihn immer schon gereizt herauszufinden, wie lange sie noch tugendhaft bleiben würde. Herran hatte die Augenbrauen zusam-mengezogen und die Stirn in Falten gelegt.
Warum bei allen Göttern hatten sie ihn geholt? Felim ließ sein harm -loses Lächeln verblassen und versuchte sich in feierlichem Ernst. Das allerdings gelang ihm erst im zweiten Versuch.
„Ich will mich kurz fassen, Felim“, sagte Menthil. Der Rat der Stadt hat beschlossen, dir die Gelegenheit zu geben, in seinem Kreis wirkliche Freunde zu finden.“
Felim stutzte für den einen Moment, den er brauchte, um Menthils Worte zu verstehen. Dann schrie alles in ihm auf, und Verzweiflung wusch über ihn hinweg, wie die Brandung über einen Uferfelsen. Wer einen Freund im Rat hatte, der war verloren, denn dort war sich jeder selbst der Nächste.
„Du weißt, was ein dunkler Magier ist?“
Felim nickte mit trockener Kehle und etwas benommen von Menthils Gedanken, die Haken schlugen wie ein gehetztes Kaninchen. Ein dunk-ler Magier! Eine dieser geheimnisvollen Gestalten, die immer mit einem Bein in der anderen Welt standen und von dort eine unvorstellbare Kraft bezogen. Aber was hatte der Rat mit Magiern zu tun, von denen jeder wusste, dass weder Macht noch Reichtum sie interessierte. Für die nur das geheime Wissen zählte. Allerdings durfte man nicht den Fehler machen und ihnen in die Quere kommen.
„Wir sind eine erfolgreiche Stadt, Felim. Und haben viel Einfluss. Mehr als das anderen Städten gefällt. Einem unserer Feinde ist es gelungen, sich einen Magier zu verpflichten und ihn gegen uns zu senden. In wenigen Tagen wird er hier sein. Er wird unsere Stadt vernichten, und wir können nicht mehr dagegen tun, als zu versuchen, unser Leben zu retten.“
Felim versteckte seine vorsichtige Erleichterung und machte zum er sten Mal den Mund
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