WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)
Dornfahl mit der Ausstrahlung ausgestopfter Tiere präsentierte. Alles Inszenierung, das wusste Vanna natürlich. Wen hätten wir zum Beispiel da, dachte sie, der eingebildete, verhätschelte Prinz, der mit nichts außer Sommersprossen und langen Wimpern verzweifelt um die Aufmerksamkeit seines ach so geliebten Vaters buhlt.
Müsste der Prinz ein Heer anführen, so vermutete Vanna, wäre der Ritt bis zum Schlachtfeld schon sein schlimmster Feind.
Die Fürstin. Sie war das exakte Gegenstück zu Vanna, wie sie dort oben starr und mit einem einstudierten Lächeln saß. Welche Funktion mag sie wohl noch haben, nachdem ihre Lenden nun eine so überaus vielversprechende Frucht getragen haben? Vielleicht fürchtet sie ja, dass ihr Gatte eine Mätresse findet, die im Gegensatz zu ihr in der Lage ist, Kolvenstätt wenigstens einen tüchtigen Bastardsohn zu schenken .
Vanna erschauderte und ließ den Blick weiterschweifen. Ein Mann, der direkt neben Fürst Dornfahl stand, war ein wahrer Blickfang. Er war in gelbe Roben gehüllt und ein viel zu hoch aufragender Zylinder steckte auf seinem Kopf. Besser als alle Schauspieler der Gauklergilde zusammen, Vanna schmunzelte bei diesem Gedanken. Ein Kleriker! Der teuflische Berater Seiner Eminenz. Mit welchen verbotenen Mächten ist er wohl im Pakte, um den Fürsten wie eine Marionette zu missbrauchen!
Der strenge Blick des Klerikers traf den Vannas und sie senkte augen -blicklich den Kopf. Nicht aus Verlegenheit oder Angst, nein, nur um nicht lauthals loszulachen. Der Schlafmohn verfehlte wirklich nicht seine Wirkung.
Vanna bemerkte am Tonfall des Kanzlers, dass seine müden Ausfüh -rungen endlich zu einem Ende fanden. Aber da war noch etwas. Vanna spürte es. In der Ecke, halb verborgen in den Schatten stand eine Gestalt, die sie nicht bemerkt hatte. Sie konnte nicht mehr erkennen, als etwas Weißes, das aus dem Gesicht hervorzustoßen schien. Ein Schnabel? , fragte sich Vanna und schüttelte den Gedanken ab. Ihre Sinne spielten ihr sicher bloß Streiche.
„Wenn Euer Majestät keine Einwände hat“, schloss der Kanzler, „überlasse ich der ehrwürdigen Maestra di musica, Vanna Zwölffinger, das heilige Licht der Aufmerksamkeit Seiner Hoheit.“ Der Kanzler zog sich mit gesenktem Kopf zurück, bis Vanna verloren zwischen den Fronten stand. Vanna versuchte, nicht darauf zu achten, dass alle Blicke nun alleine auf sie gerichtet waren. Blicke, die, wie sie hoffte, von Freude und Neugier zeugten. Aber sie war realistisch. Hoffnung war etwas für verwöhnte Prinzen. Vanna konnte spüren, dass die Blicke von Verachtung gegenüber ihrer niederen Herkunft und der Skepsis und Arroganz der wohl hochgeborenen Damen und Herren wie Pfeile auf sie abgeschossen wurden. Vanna kniete nieder und öffnete die zwei Messingverschlüsse ihres Lautenkastens, als ein Mann hinter ihr die Stimme erhob. „Fürst Dornfahl, Euer hervorragender Geschmack für gute Unterhaltung und Müßiggang ist uns allen wohl bekannt, aber hätte die Dame der Gauklergilde“, der Mann spuckte das letzte Wort förmlich aus, „nicht auch während des vorzüglichen Mahls spielen können? Dient diese Zusammenkunft nicht der Lösung einiger ...“, vorsichtig suchte er nach dem passenden Wort, „... Angelegenheiten?“ Stille. Der Mann hatte Mut, das gab Vanna zu.
Widerworte, ganz abgesehen von großmütterlichen Ratschlägen gegen -über dem Fürsten, waren in Thronsälen nach ihrem Geschmack eine viel zu seltene Delikatesse. „Euer Durchlaucht“, fügte der Aufrührer rasch hinzu. Wie alle heroischen Taten, dachte Vanna, tapfer und dumm.
Dornfahl jedoch zeigte keinen Anflug von Wut oder Zorn. Als einzige Reaktion, wenn man sie denn als solche bezeichnen mochte, lehnte sich Dornfahl wieder ein Stückchen nach vorne, so als hätte er die Frage nicht richtig verstanden, und kniff dabei die Augen zusammen.
Anstatt des Fürsten ergriff der Kleriker und Berater Dornfahls das Wort. „Alessio von Bruchstein, mein Lieber, wir alle kennen deine Ungeduld zu Genüge. Du wirst doch sicherlich einmal die ausreichende Kontrolle über deine Affektationen aufbieten können, wie es in Or-halms Namen eines jeden Pflicht ist, und dich noch ein wenig gedul-den?“ Der Mund des Priesters war ein schmaler Strich.
Vanna hatte sich mittlerweile umgedreht und betrachtete den Markgra -fen. Er war ungewöhnlich jung für einen Grafen, trug einen flachen Hut mit ungewöhnlicher Feder und hatte sich den Bart so schneiden lassen, dass er
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