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WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)

WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)

Titel: WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Fluss, schon viele Jahre. Unsere Kolonie ist beein-druckend groß, wir haben uns dem Rhythmus des an- und absteigenden Flusswassers angepasst. Hierher dringen die Stähle der Riesen nicht vor, sie meiden diese Gegend, die sumpfige Uferlandschaft schützt uns. Es ist immer feucht, die Kronen großer Bäume gewähren uns Schatten an sommerlichen Tagen und Nahrung findet sich im Übermaß. Oft treffen wir auf Oknackons, sie weiden in der Nähe, wir grüßen uns höflich, sie blinzeln mit ihren Stielaugen und manchmal ruhen wir sogar gemeinsam in einem Unterschlupf. Einfach paradiesisch hier, für uns Regenwürmer.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Tanz der Schatten
     
    Bent Neuberger
     
    Vanna beobachtete, wie der Ka nzler unruhig auf und ab ging. Das Seidengewand rauschte bei jedem Schritt über die Kacheln des Ganges und klang in ihren Ohren beinahe angenehm. Der Kanzler murmelte unverständliche Worte, die Augen verdrehten sich sorgenvoll zu den hohen Decken. Aber sie blieben stumm.
    Als Reichskanzler , dachte Vanna, erkauft man sich für all den Luxus und Reichtum wohl auch die Schlinge, die der Fürst höchstpersönlich in Händen hält . Nicht besser als ein adeliger Wolfshund. Abgerichtet, treu und voller Angst. Jedenfalls nahm ihr der Anblick des Kanzlers ein Stückchen von der eigenen Nervosität, auch wenn sie das nicht zugeben wollte. Vannas Finger trommelten leise einen triolischen Rhythmus. Der Marmor, auf dem sie saß, fühlte sich glatt und kalt an. Er passte wesentlich besser in die Zuschaustellung überbrodelnder Potenz, als Vanna selbst. Früher einmal hätte sie sich vielleicht dafür geschämt, dass sie nicht dem Bild einer schicklichen Frau, geschweige denn der Erscheinung einer adligen Dame entsprach. Ihre Finger hatten Schwielen und leichte Einkerbun-gen, beinahe wie Männerhände. Schön auszusehen, hatte in bestimmten Situationen gewiss seinen Reiz, und bot Vorteile, aber ihre Hände mussten vor allen anderen Dingen nur eines sein. Beweglich . Bei diesem Gedanken begann sie die üblichen Lockerungsübungen und dehnte ihre Finger, um die Hände aufzuwärmen. Routiniert arbeitete sie sich jeweils von den kleinen Fingern bis zu den Daumen vor. Die Gelenke knack-ten, als seien sie trockene Äste, und Vanna erntete einen missmutigen Blick des Kanzlers, den sie bewusst ignorierte.
    Neben Vanna auf der Bank lag ein Kasten, in dem sich ihr ganzer Stolz befand. Nein, mehr noch als das. Es handelte sich buchstäblich um ihren Lebensinhalt, aufbewahrt in einer einfachen, hölzernden Kiste. Eine Maßanfertigung zwar, aber dem lebendigen Ahornholz fiel es trotzdem schwer, sich vom alles bedeckenden, blassen Marmor abzu -heben. Die Maserung wirkte wie ein schwaches Feuer, das verzweifelt versuchte, in dem milchigen Spiegelbild nicht unterzugehen.
    Vanna wusste, wie es sich fühlte. Fehl am Platz , dachte sie und ermahnte sich im selben Augenblick der Achtsamkeit. Es durfte keinen anderen Ort geben, an dem sie jetzt lieber sein wollte. Schließlich war die Unter-haltung von Menschen, egal welchen Geblüts oder Standes sie sein mochten, ihre Aufgabe und zumindest die einzige, die sie auch be-herrschte. Doch dieses Mal würde es anders, das wusste Vanna.
    Der Klang sich öffnender Türen unterbrach ihre Gedanken. Zwei Die -ner zogen die mit goldenen Intarsien verzierte Doppeltür des Thron-saals auf. Sogleich folgten weitere Bedienstete, die Silbertabletts mit halb verzehrten Speisen geschäftig hinaustrugen.
    Vannas Magen verkrampfte sich, als der Geruch von deftigen und s üßen Speiseresten den Gang erfüllte und Galle ihr bitter aufstieß.
    Verdammt, mehr als hundert Vorstellungen und jetzt übergebe ich mich  fast vor Seiner königlichen Hoheit!
    Als hätte der Kanzler Vannas Gedanken erraten, trat er in diesem M oment vor. „Maestra di musica, ehrenwerte Stellvertreterin der Gauk-lergilde, Seine Durchlaucht wird sie alsbald empfangen können.“
    Schweißtropfen perlten von seiner Stirn. „Ich muss Sie mitnichten darauf hinweisen, in welcher Gesellschaft Sie gleich spielen werden. Vergessen Sie nicht, nur zu sprechen, wenn es Ihnen ausdrücklich gestattet wird. Ansonsten schweigen Sie. Beginnen Sie mit ihrer Vor-führung erst, wenn Seine Durchlaucht Ihnen seine ungeteilte Aufmerk-samkeit schenkt. Jeder Moment, den Sie spielen dürfen, ist ein Akt Seiner königlichen Gnaden und bedeutet Ihnen, fortzufahren. Sicher-lich ist Ihnen, Maestra, das Hofprotokoll zu Genüge bekannt. Dennoch muss

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