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WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)

WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)

Titel: WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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plötzlich im Raum. Er strömte aus Vannas Laute und ergoss sich über den Boden, kroch zu den Füßen der Hofgesellschaft und die weißen Schwaden züngelten hinter den Vorhängen und Wand -teppichen hervor. Mit jedem Ton, den Vanna spielte, formte sich der Rauch, der stark an Weihrauch erinnerte. Zarte Bäume wuchsen vor dem fürstlichen Podest aus dem Marmor, Gras und Pflanzen sprossen und Efeuranken benetzten die Wände. Vanna schlug die Saiten der Laute an und der Wald bevölkerte sich mit Tieren wie Schmetterlingen, Hasen und singenden Vögeln. Die Damen und Herren der Gesellschaft staunten, manche berührten vorsichtig die gewachsenen Blumen vor ihnen auf dem Tisch. Vanna gewann an Tempo und spielte eine Folge tiefer Töne, die widerhallten, als befänden sie alle sich in den Hallen Orhalms. Zwischen zwei Bäumen hob ein weißer Hirsch sein Geweih und blickte die Anwesenden an. Der Kanzler, der Prinz, sogar die sittsame Fürstin und der strenge Kleriker, sie alle starrten wie Dornfahl auf den Hirsch.
    Die Legende von Orhalm, wie er in der Gestalt eines reinen, wunderschönen Hi rsches sterbliche Mädchen verführte, war offensichtlich eine gute Wahl, dachte Vanna. Schlafmohn ermöglichte ihr, wie so vielen anderen aus der Gilde ebenfalls, die Hohe Kunst der Illusion . Die Bilder, die Vanna sah, sahen – mehr oder weniger – auch die anderen. Das Delirium, das den Gaukler sonst hätte selbst befallen müssen, befiel in gewisser Weise nun die anderen. Das war nur möglich, wenn es dem Gaukler gelang, die Gefühle und Sinne der Menschen für sich einzunehmen. Die Melodie, die Vanna spielte, war sozusagen das Schiff, dass den Nebel, die Geräusche und Gerüche transportierte, um Menschen zu täuschen, zu betäuben oder sogar zu beeinflussen.
    Vanna zupfte eine neue, vollkommen andere Melodie. Leicht und frö hlich wie ein Frühlingstag, so unverdrossen und frech wie ein Som-merregen. Die Töne klangen, als sänge ein Rotkelchen. In den hohen Lagen spielte Vanna ein paar gewagte Variationen, die immer noch rechtzeitig in den beschwingten Rhythmus fanden. Die Melodie war so natürlich und unschuldig wie das Mädchen, das sich aus dem Rauch löste. Goldenes Haar fiel in Wellen bis zu den Hüften, sie hatte Lippen aus Kirschen und die vornehme, königliche Blässe. Aber für die Männer in der Runde besser nicht zu viel der Unschuld, dachte Vanna und gestaltete die Figur des Mädchens ein wenig üppiger. Das Mädchen tänzelte zwischen dem Grün, schnupperte hier an den Blüten und griff dort nach den Zweigen und es war unverkennbar, dass sich die Lippen von Vater und Sohn, Fürst und Prinz, gleichermaßen zu einer lüsternen Grimasse verzogen. Nur der Kleriker schien der Heiligkeit der Bilder treu ergeben oder er lächelte gerade deshalb wie ein Narr vor sich hin. Vanna wollte das gar nicht wissen.
    Ein kalter Ton durchschnitt die Harmonie. Es war an der Zeit, dass das Versteckspiel ein Ende nahm und so trat Orhalm als Hirsch mit dazu -gehörigem Geweih wieder auf die Bühne. Das Mädchen erschrak und sie blickten einander in die Augen. Mein eigenes Possenspiel muss auch ein Ende haben, dachte Vanna. Sie schaute hoch zum Pestarzt, dem auf-grund seiner lächerlichen Vogelmaske nicht anzusehen war, ob er die Faszination für Vannas Stück teilte. Natürlich konnte es jeder im Saal sein, aber den maskierten Personen galt die höchste Vorsicht.
    Dornfahl vor den Augen seiner versammelten Hofgesellschaft zu töten und doch würde es niemand sehen können , war im Grunde eine schlaue Idee. Während alle Anwesenden dem Schauspiel einer Gauklerin frön-ten, spielte diese selbst ja die ganze Zeit über das Stück, sodass sie als Meuchelmörderin später nicht infrage käme. Das hoffte Vanna zumin-dest. Allerdings war Hoffnung bekanntermaßen nur etwas für verwöhn-te Prinzen und plötzlich zeugte die ganze Unternehmung in Vannas Augen nur mehr von Bauernschläue. Während die Hände wie von selbst weiterzuspielen schienen, versuchte Vanna, einen kühlen Kopf zu bewahren. Jeder Fürst, erst recht einer vom Stand eines Herzogs, beschäftigte einen Stumpfen. Stumpfe waren, ob von Natur aus oder nicht, in ihren Sinnen geschädigt und die Inquisition tat ihr Übriges dazu, um diese Menschen mit der weitestmöglichen Resistenz gegen-über Schlafmohn auszustatten. Ein Paar wacher Augen, das Vanna beobachtete, gab es in Dornfahls Thronsaal demnach mit Sicherheit.
    Das Mädchen streichelte den Hirsch und fütterte ihn mit einer

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