WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)
ehrlicher und einnehmender als das des Kanzlers oder der Fürstin. Vanna schluckte. Dornfahl verwies mit se iner Hand auf den Lautenkasten.
„Bitte“, sagte er, „Maestra Zwölffinger, Eure Haltung, die Ihr nach solcherlei Unannehmlichkeiten beweist, ist bemerkenswert. Bereitet Euch doch schon einmal vor und sagt: Welches Stück werdet Ihr uns heute vortragen?“
Vanna runzelte die Stirn. „Es heißt Tanz der Schatten , Euer Majestät.“
„Ein wundervoller Name!“, sagte Dornfahl und lächelte zufrieden. „Wir gehören ganz Ihnen, Maestra, beginnt, wann es Euch beliebt und lasst uns den taktlosen Vorfall durch Eure Verzauberung bald ver-gessen!“ Der Fürst klatschte und lehnte sich zurück. Die Hofgesell-schaft schien seine kindliche Freude nicht zu teilen und Vanna ver-übelte ihnen das nicht. Dornfahl gehörte entweder in ein Sanatorium seiner eigenen Inquisition oder aber er wog politische Entscheidungen mit einer Gefährlichkeit und Berechnung ab, die für Außenstehende nur schwer zu fassen waren.
Wie dem auch war, Vanna nahm ihre Laute aus dem Kasten.
Sie spürte das raue Ahornholz in ihren Händen, die Wölbung des Korpus berührte sanft und vertraut ihre Brust und der Geruch bereits bespielter Saiten, eine Mischung aus Schafdarm und Schweiß, kribbelte in ihrer Nase. Das Instrument beruhigte Vanna. Die Aufregung wandelte sich in die Erregung vor dem Zupfen des ersten Tons. Das Licht im Raum wirkte plötzlich wie gedämmt, die aufdringlichen Farben des Thronsaals waren dunkel und matt, Vannas Herzschlag schien sich zu verlangsamen. Die Beziehung zwischen einer Musikerin und ihrem Instrument glich einer Liebesbeziehung, auch wenn Vanna eigentlich gar nichts für Romantik oder Werbung überhatte. Aber die Laute und sie verbanden Lebenszeiten, die Vanna niemals vergessen würde. Ein Kratzer auf der Rückseite des Griffbretts erinnerte sie an einen leiden-schaftlichen Streit zwischen der Laute und ihr, eine Spanne des Zwei-felns, jugendlichen Leichtsinns und des Forderns. Sie hatte viel gelernt.
Vanna schlug den ersten Akkord an.
Nach all den Jahren verführte die Laute Vanna immer noch mit ihrem Klang. Die Töne hallten durch ihrer beider Körper. Sie waren eins. Vanna stimmte die Saiten noch ein wenig nach, dann schloss sie die Augen.
Vanna begann das Präludium in einer einfachen, getragenen Melodie. Es lag irgendwo zwischen einer Liebeserklärung und einem Marsch, Vanna verwob mit ihrer Spielhand leichte Obertöne in den Rhythmus, um die Spannung nicht zu früh zu steigern. Das Auditorium braucht Zeit, um sich einzuhören und in die Stimmung zu finden , erinnerte Vanna sich an die Worte ihres alten Meisters. Die Greifhand vollführte ein paar wag-halsige Sprünge und Ton um Ton verfiel die Melodie in einen rasanten, dreischrittigen Galopp. Vannas Finger flogen über das Griffbrett, als jagten sie einander und Tonfolgen drehten sich in immer schneller werdenen Kreisen, atemlos, als ginge es um Leben oder Sterben. Die Saiten schienen zu reißen, Töne wurden zu Geräuschen, Geräusche zu Schreien, und Vanna befreite die Melodie aus ihren tollkühnen Fängen. In einem harmonischen Akkord lösten sich die Töne wie die süßesten Honigtropfen ganz, ganz langsam voneinander los. Der Applaus bran-dete auf und Vanna hörte Dornfahl entfernt Bravo! Bravo! rufen. Schweiß stand ihr auf der Stirn. Langsame Präludien hatten sie schon immer gelangweilt.
Vannas Sinne waren betäubt und das rührte nicht alleine von ihrem Spiel. Sie hatte Schlafmohn nun lange genug in ihrem Körper, der nahe des Deliriums geriet, so wie in jenem Moment, als sie den Thronsaal betreten hatte. Normale Menschen wären längst in Ohnmacht gefallen, Vanna gehörte allerdings zu denjenigen, die Schlafmohn anders ver-wenden konnten . Urteilte sie nach ihrem Bauchgefühl, musste sich der Schlafmohn bereits ausreichend mit ihren Körpersäften verbunden haben. Dornfahl ließ sich eine Karaffe mit Wein bringen. Vanna atmete aus, das würde der Wirkung ihres Spiels zugute reichen.
Die ersten Akkorde des Hauptstücks erfüllten den Saal. Vanna spielte lediglich wenige Töne im Wechsel, allerdings mit einer Stärke und B etonung, als käme jemand oder etwas Schritt um Schritt näher. Vanna verzerrte mit ihrer Greifhand den folgenden Ton um Nuancen und es klang, als zöge jemand ein Schwert schleifend hinter sich her, quer über den Marmorboden des Thronsaals.
Vanna löste den Schlafmohn tief aus ihrem Innern.
Rauch entstand
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