Weltkrieg der Waehrungen
aus ihren Beständen ab, mehr als das Doppelte der jährlichen Minenproduktion. Ihre umfangreichen Verkaufstransaktionen übten punktuell erheblichen Druck auf die Notierungen aus, sie verdarben die Preise, die ohnehin schon schwach waren. Für die Goldmarkt-Akteure bedeutete der permanente Abgabedruck der Notenbanken einen groÃen Unsicherheitsfaktor.
Die erratischen und tendenziell sinkenden Notierungen machten Gold (das ja keine Zinsen abwirft) als Investment vollends unattraktiv. Doch der negative Rückkopplungseffekt von Verkäufen und sinkenden Kursen lief auch dem Ansinnen der Institutionen zuwider, beim »Ausstieg aus dem Gold« möglichst hohe Preise zu erzielen. Daher entschieden sie sich auf einen Kurswechsel. Vertreter der 15 wichtigsten Notenbanken trafen sich im Herbst 1999 in der amerikanischen Hauptstadt Washington. Sie suchten nach Wegen, den Preisverfall bei Gold aufzuhalten, was durch die Verkaufswellen des Sommers neue Dringlichkeit erhalten hatte. In Washington verständigten sie sich schlieÃlich auf eine Selbstbeschränkung beim Goldverkauf. Pro Jahr sollten die Institutionen nicht mehr als 400 Tonnen auf den Markt werfen. Es war eine Art Rettungsplan für den desolaten Goldmarkt, ein Gnadenerlass für das gelbe Metall, fast schon eine Artenschutzverordnung für ein vom Aussterben bedrohtes Anlagemedium.
Das Washingtoner Abkommen fiel in eine Zeit, als das frühere Metall der Könige wie der Bettler unter den Anlageklassen dastand und jede Stütze brauchte. In der Finanzwelt zog es kaum jemand auch nur in Erwägung, dass sich dies auf absehbare Zeit ändern könnte. Im Jahr des Abkommens verzeichnete die Feinunze mit 252 Dollar den niedrigsten Preis seit 18 Jahren. Zu der Zeit, als Gordon Brown seine folgenschwere Entscheidung traf, britisches Gold auf den Markt zu werfen, erschien Edelmetall als ebenso anachronistisch wie die Pferdekutsche oder das Grammophon. Eine der bemerkenswertesten Entwicklungen in den Jahren vor der Jahrtausendwende war, dass Gold sich als Währung fast ganz aus dem öffentlichen Bewusstsein verabschiedet hatte. Eines der ältesten Wertaufbewahrungsmittel der Menschheit, Gold in Form von Münzen und Barren, hatte nicht viel mehr als den Status eines Sammelobjekts, es war beinahe auf die Ebene von Briefmarken und Autogrammkarten herabgesunken. Innerhalb einer Generation schien vollkommen in Vergessenheit geraten zu sein, dass Edelmetall bis in die frühen Siebzigerjahre hinein 100 Jahre lang mit wenigen Unterbrechungen als Rückgrat des Währungssystems fungiert hatte. AuÃerhalb der Zirkel eingefleischter Goldfans, denen häufig einen Hang zur Exzentrik nachgesagt wurde, gab es im beginnenden Internetzeitalter kaum noch jemanden, der das Metall als Wertaufbewahrungsmittel, geschweige denn als Anlageform ernst nahm.
Ein schwarzer Schwan
Zu Anfang des 21. Jahrhunderts deutete zunächst wenig darauf hin, dass für Gold ein neuer Superzyklus angebrochen sein könnte. Die neue Dekade schien für das Metall ähnlich unspektakulär zu verlaufen wie die alte. Investoren beschäftigten sich eher mit der Frage, ob Technologieaktien schon wieder günstig genug waren, um einen Neueinstieg zu wagen. Die groÃen Aktienindizes notierten ein Fünftel bis ein Drittel unter ihren Höchstständen vom Winter und Frühjahr 2000, doch der Blick richtete sich noch auf eBay und Amazon oder auch WorldCom und Global Crossing, zwei Firmen, die es bald nicht mehr geben würde. Erst die Terroranschläge von New York und Washington und die lang anhaltende Rezession änderten die Sicht der Dinge. Aktien und Unternehmensanleihen gerieten jetzt in eine tiefe Baisse. Die Preise für Erdöl und andere Rohstoffe hingegen zogen an. Manche haben daher versucht, einen direkten Kausalzusammenhang zwischen den Kriegen infolge des 11. September und der Wiederentdeckung des Goldes herzustellen. Das ist jedoch nicht durch die Tatsachen gedeckt.
Entgegen einem weit verbreiteten Klischee profitiert Gold nicht generell von kriegerischen Konflikten. Zwar können der sowjetische Einmarsch in Afghanistan und der Sturz des Schahs im Iran als Mitauslöser für die Edelmetall-Manie von 1980 gesehen werden. Doch lieà der Irak-Krieg von 1990/91 den Goldpreis zum Beispiel nicht explodieren â er bröckelte vielmehr leicht ab. Auch der Kosovo-Konflikt Ende der Neunzigerjahre, der immerhin scharfe russische
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