Weltkrieg der Waehrungen
wurde die glänzende Fluchtwährung. Am 12. März 2003 markierte der Dax den tiefsten Stand der Dekade bei 2202,96 Punkten. Seit der Jahrhundertwende hatten Aktien rund vier Fünftel ihres Wertes verloren. Der Preis der Feinunze stand zu diesem Zeitpunkt ein Fünftel höher als drei Jahre zuvor. Etwas hatte sich geändert, aber was genau, lieà sich noch nicht recht fassen.
Bald würde sich der Aufstieg des Goldes beschleunigen. Ein zusätzlicher Nachfrageschub kam aus Ländern, die durch die Entgrenzung der Weltwirtschaft zu neuem Wohlstand gelangt waren. Anders als es die westliche Tradition will, ist Gold in vielen Regionen der Erde kein »Krisenmetall«, sondern ein »Wohlstandsmetall«. Auf dem indischen Subkontinent, im Fernen Osten und in weiten Teilen der muslimischen Welt dient Edelmetall seit Generationen als Wertaufbewahrungsmittel, oft in Form von Halsketten oder anderem Schmuck. Als die Globalisierung, ungeachtet der Probleme im Norden, den Reichtum in den südlichen Ländern wachsen lieÃ, zog langsam, aber sicher auch die Nachfrage nach Gold an. Im Jahr 2007 kauften die Chinesen, deren Wohlstand besonders schnell anzog, gemessen am Gewicht rund 60 Prozent mehr Gold als 1999. Da hatten die Bewohner des Reichs der Mitte ihre Vorliebe für das Metall der Könige eben erst entdeckt.
Zwar setzten sich in diesen Schwellenländern sukzessive auch »moderne« Formen der Geldanlage durch, das änderte jedoch nichts daran, dass Gold dort so gefragt war wie nie. Sogar die steigenden Preise konnten das Interesse nicht stoppen. Das war ein Unterschied zu früher, als nicht nur indische Goldschmiede ihre Order schnell stornierten, wenn die Notierungen merklich anzogen. Zwischen 1999 und 2007 verdoppelte sich das Volumen der weltweiten Schmucknachfrage nahezu, von 28,1 auf 54,2 Milliarden Dollar. Das Gros der zusätzlichen Nachfrage kam aus Ländern, die ehedem als »Dritte Welt« bezeichnet worden waren.
In der neuen Dekade war das Edelmetall so begehrt, dass all das Erz, das Bergleute weltweit aus dem Grund holten, in manchen Jahren nicht ausreichte, um den Bedarf der Goldschmiede zu decken. Seit Jahren verharrt die Minenproduktion bei etwa 2400 bis 2600 Tonnen pro Jahr. So viel wurde 2007 allein von der Schmuckindustrie abgenommen. Zusammen mit anderen Kunden wie der Zahnmedizin oder der Halbleiterbranche brachte es die Menschheit in jenem Jahr auf einen Verbrauch von 3552 Tonnen. Auf dem Goldmarkt entstand ein Nachfrage-Ãberhang, der nur durch die Verkäufe von Notenbanken und das Recycling von Altgold, das auch unter dem kuriosen Wort »Goldschrott« bekannt ist, ausgeglichen werden konnte.
Im Jahr 2007 war das Edelmetall in der westlichen Welt als Anlagemedium rehabilitiert, während sein Stellenwert in den Schwellenländern mit dem Wohlstand deutlich zugenommen hatte. Auch die Mainstream-Medien, die das Thema Gold zuvor spezialisierten Newslettern und Internetportalen überlassen hatten, berichteten nun ausführlich über die Gold-Hausse. Der Unzenpreis lag bei 700 Dollar.
Der Anti-Dollar
Indem der Preis weiter stieg, kam es nun doch gelegentlich zu heftigen Rückschlägen am Edelmetallmarkt. Angesichts der nahezu verdreifachten Notierungen traten die traditionellen Abnehmer aus der Schmuckindustrie gelegentlich in den Käuferstreik. Auch die Spekulanten wetteten verstärkt auf sinkende Unzenpreise. SchlieÃlich hatten sich die Notierungen seit Ende der Neunzigerjahre fast verdreifacht. Viele Finanzakteure sahen bereits eine Blase. Sie gaben der verrückten Lust auf Gold nur noch ein paar Monate.
Womöglich wäre die Edelmetallrallye an diesem Punkt langsam ausgelaufen, wäre nicht eine andere mächtige Motivation, Edelmetall zu horten, hinzugetreten: die Notwendigkeit, sich gegen eine Krise des Dollar abzusichern. Seit ihrer Entkopplung Anfang der Siebzigerjahre sind Gold und Dollar Antagonisten. Ein steigender Unzenpreis zeigt seither an, dass es dem Greenback schlecht geht, und umgekehrt. In der globalen wirtschaftlichen Verunsicherung, die auf das Platzen der Technologieblase im Jahr 2000 folgte, war der US-Devise zunächst eine Phase der relativen Stärke vergönnt. Die ersten Jahre des neuen Jahrzehnts sahen einen Dollar, der Anlegern aus aller Welt als Kapital-Fluchtburg diente. Gegenüber der noch jungen (und gerade in der englischsprachigen Welt kritisch beäugten) Gemeinschaftswährung
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