Weltkrieg der Waehrungen
Zeitgenossen kläglich gescheitert. Dennoch blieb die Weltwährungsordnung der Zeit vor 1914 das Ideal, von dem ein neues monetäres System abgeleitet werden sollte. Daher lohnt ein Blick auf die Grundzüge des klassischen Goldstandards.
Gold war in den Siebzigerjahren des 19. Jahrhunderts als Währungsmetall etabliert worden. Die folgenden vier Jahrzehnte bis zum Ausbruch des groÃen europäischen Kriegs im Sommer 1914 waren von einer auÃergewöhnlichen Stabilität des monetären Gefüges gekennzeichnet. Das lag daran, dass der Goldstandard einen eingebauten, quasi automatischen Ausgleichsmechanismus für weltwirtschaftliche Schieflagen und Ungleichgewichte kannte: Baute ein Land einen Handelsüberschuss auf, exportierte es also mehr als es importierte, flossen ihm umfangreiche Goldbestände aus dem Ausland zu. In dem Ãberschussland stieg daraufhin die Geldmenge: Die Wirtschaftsaktivität wurde angeregt und damit auch die Inlandsnachfrage nach ausländischen Erzeugnissen. Bedingt durch die höhere Geldmenge (und in der Regel niedrigere Zinsen) stiegen gleichzeitig die Preise und Löhne, was die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen dämpfte. So wirkten der verstärkte Binnenkonsum und die erhöhten Preise heimischer Produkte auf den ausländischen Märkten dem Handelsüberschuss entgegen. Bei einem Land mit Handelsdefizit funktionierte der Prozess umgekehrt: Durch die Goldabflüsse verminderte sich die Geldmenge. Die Zinsen stiegen, Kredite für Investitionen wurden knapper und Konsum war schwerer zu finanzieren. Als Folge nahm die Nachfrage nach Produkten aus dem Ausland ab, und auch die Inflation ging zurück. In beiden Fällen wirkten die Prozesse den Ungleichgewichten so lange entgegen, bis sich ein neues internationales Gleichgewicht einstellte.
In der Theorie war der Goldstandard eine wunderbare Konstruktion. In der Praxis funktionierte er allerdings nicht ganz so gut wie in der Theorie, nicht zuletzt, weil sich Notenbanker und Regierungen manchmal aus innenpolitischen Gründen genötigt sahen, den Leitzins niedriger zu fixieren, als dies die schwindenden Goldbestände des Landes rechtfertigten. Ein hohes Zinsniveau dämpft tendenziell die Wirtschaftsaktivität und erhöht die Arbeitslosigkeit. Doch selbst mit einem nur unvollkommen funktionierenden Goldstandard konnten vor 1914 extreme Handelsungleichgewichte vermieden werden. Auch internationale Finanzkrisen, wie sie für die Zwanzigerjahre oder auch spätere Epochen kennzeichnend waren, blieben aus â und das, obwohl es in der Epoche durchaus nicht an Börsencrashs wie etwa der »Panik von 1907« mangelte.
Keynes wollte diese Wirkung des Edelmetallstandards simulieren, ohne dass sich die Staaten einmal mehr »goldene Fesseln« anlegten. Die ausgleichende Funktion der Ab- und Zuflüsse sollten seinem Plan zufolge Strafzahlungen übernehmen: Wies ein Land permanente Ãberschüsse auf, würde ihm ein bestimmter Prozentsatz seines Bruttoinlandsprodukts in Rechnung gestellt, und Gleiches blühte Ländern mit notorischen Defiziten. Dem Wirtschaftsdenker schwebte eine Strafgebühr von einem Prozent des Defizits oder des Ãberschusses vor. Das sollte den Staat disziplinieren und ihn dazu bringen, MaÃnahmen gegen die Ungleichgewichte zu ergreifen. Ein Ãberschussstaat könne zum Beispiel die Inlandsnachfrage anregen oder seine Währung aufwerten, ein Defizitstaat die gegenteiligen MaÃnahmen ergreifen, meinte er.
So stringent Keynesâ Gedanken waren, ihnen haftete ein groÃes Manko an: die Provenienz ihres Urhebers. Der Ãkonom gehörte der britischen Delegation an und nicht der amerikanischen. Gegen Kriegsende wurde immer klarer, wie sehr die Nachkriegsordnung von Amerika dominiert werden würde. Keynesâ Konzeption hatte kaum Aussicht, sich auf der Konferenz durchzusetzen. Die Amerikaner, deren Delegation von dem stellvertretenden Finanzminister Harry Dexter White angeführt wurde, konnten jetzt ihre Machtposition ausspielen, da sie der mit Abstand gröÃte Financier einer internationalen Notenbank und die Heimstätte des neuen internationalen Geldsystems sein würden. Warum sollten sie sich auf das Abenteuer einer neuen Reservewährung einlassen, die von einer supranationalen Institution ausgegeben wurde? Aus Sicht der Amerikaner gab es die geforderte globale Währung doch längst â ihr Name lautete
Weitere Kostenlose Bücher