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Weltkrieg der Waehrungen

Weltkrieg der Waehrungen

Titel: Weltkrieg der Waehrungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel D. Eckert
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Überraschungsangriff bis zum Ärmelkanal vorzustoßen. Allenfalls ein Eingreifen der Amerikaner, möglicherweise unter Einsatz der Atombombe, hätte Paris und London dann noch vor der Einnahme durch die Rote Armee retten können. Zwar durfte es den USA schon aus kommerziellen Interessen keineswegs gleichgültig sein, ob die rote Fahne über ganz Europa wehte, aber im Konfliktfall war Europa deutlich mehr von amerikanischer Unterstützung abhängig als umgekehrt Amerika von Europa. Grund genug, ein freundschaftliches Verhältnis zu Washington zu pflegen.
    Die Verkrüppelung der Machtposition von Großbritannien und Frankreich durch den Krieg, die Schwächung ihrer weltpolitischen Stellung durch die Entkolonialisierung sowie die latente Bedrohung durch die Sowjetunion hatten einen disziplinierenden Effekt, der so etwas wie ein »westliches Bündnis« erst entstehen ließ. In den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten waren die USA unangefochten der Hegemon mit der einzigen Streitmacht der Welt, die der Roten Armee trotzen und die Sowjets aus Westeuropa fernhalten konnte, und sei es unter Androhung des Einsatzes von Atomwaffen. Die Existenz einer Führungsmacht brachte eine ungeahnte Stabilität in das internationale System der kapitalistischen Welt. Diese westliche Harmonie übertrug sich auf die Sphäre der Wechselkurse. Doch dann war es Amerika selbst, das die Ordnung ins Wanken brachte.
Transatlantische Fragezeichen
    Um das Jahr 1960 tauchten hinter dem Währungssystem von Bretton Woods vermehrt Fragezeichen auf: Würde die titanenhafte Unangreifbarkeit der USA anhalten? Oder würden europäische und außereuropäische Mächte, die sich in den Schatten gestellt fühlten, Amerika über kurz oder lang herausfordern, wenn nicht auf militärischem, dann auf diplomatisch-politischem oder ökonomischem Gebiet? Würde Washington mit der Hegemonialposition, die ihm durch die beiden Weltkriege zugefallen war, auf Dauer umzugehen verstehen? Oder war damit zu rechnen, dass es langfristig zu wenig Rücksicht auf die Interessen seiner Alliierten nehmen würde? Vor allem aber stellte sich die Frage, ob eine internationale Reserve- und Handelswährung gleichzeitig auch eine nationale Währung sein konnte. Wie Triffin erwarteten nun auch andere Wissenschaftler, dass sich das Verhältnis der umlaufenden Dollars zu den Goldbeständen der Vereinigten Staaten immer weiter verschlechtern würde. Am Ende könnte ein einziges großes Land, das Ernst damit machte, seine Dollarreserven in Edelmetall zu tauschen, die US-Notenbank knacken und das Bretton-Woods-System aus den Angeln heben.
    Aufseiten der Europäer gab es politisch zunehmend Zweifel. So sehr sich die Amerikaner ihrer historischen Verantwortung, das »Arsenal der Demokratie« (eine Formulierung von Franklin D. Roosevelt) zu sein, nach 1940 gewachsen gezeigt hatten, so unsicher war, ob das so bleiben würde. Der abrupte Rückfall in den Isolationismus nach dem Ersten Weltkrieg ließ in den europäischen Hauptstädten manchen das Schlimmste befürchten. Dass die Sowjetunion ab 1949 über Nuklearwaffen verfügte, machte die Lage für Westeuropa nicht besser. Aber selbst wenn es nicht zu einer völligen Abkehr von der alten Welt kommen würde, blieb die Frage, ob Amerika bei seinen wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen die Bedürfnisse seiner Verbündeten immer ausreichend berücksichtigen würde. Bretton Woods konnte nur funktionieren, solange die Beteiligten ihre Interessen darin ausreichend widergespiegelt sahen. Es war ein starres System, gemacht für eine statische Welt.
    Noch in einer anderen Hinsicht begann es, im transatlantischen Verhältnis zu knirschen: Zu den großen weltpolitischen Überraschungen der Fünfziger- und Sechzigerjahre gehörte der schnelle wirtschaftliche Wiederaufstieg Europas. Diese Renaissance des Kontinents war nicht unbedingt das, was 1945 oder selbst noch 1950 erwartet werden durfte. Verheert durch den Zweiten Weltkrieg, aber auch durch die Spätfolgen der Weltwirtschaftskrise, innenpolitisch zerrrissen und eingekeilt zwischen den Supermächten, schien den kontinentalen Ökonomien eine allenfalls mäßige Zukunft bevorzustehen. Das Beste, was erhofft werden durfte, war eine langsame Rehabilitation, die womöglich Jahrzehnte in Anspruch nehmen würde. Doch es kam anders: Nicht nur in

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