Weltkrieg der Waehrungen
Westdeutschland, auch in Frankreich, Italien und anderen westeuropäischen Ländern starteten die Industrien in den Fünfzigerjahren durch. Das Wirtschaftswunder war keine deutsche Besonderheit, sondern ein paneuropäisches Phänomen.
Wie ist die rasche Genesung des geschundenen Erdteils zu erklären? Die Marshallplan-Hilfe ist sicher einer der Gründe. Wichtig war zweifelsohne auch das Bekenntnis zur Freiheit des internationalen Handels. Auch wenn es noch lange dauern sollte, ehe die Zölle abgeschafft wurden, war damit der Weg vorgegeben, wie die industrialisierten Länder aus ihrer relativen Armut herauswachsen konnten.
Auch von den Wechselkursen ging für Europa Unterstützung aus: Wegen der anfänglichen Schwäche der kontinentaleuropäischen Wirtschaften nach dem Krieg waren der Französische Franc und die 1948 neu geschaffene Deutsche Mark auf recht niedrigem Niveau an den Dollar gebunden worden. Nachdem sich die kontinentalen Ãkonomien gefangen hatten, erleichterte das den Firmen, Export-Erfolge auf den auÃereuropäischen Märkten zu erzielen. Eine charakteristische Ausnahme stellte einmal mehr die britische Währung dar. Das Pfund war, in noch stärkerem MaÃe als in der Vorkriegszeit, eine Bastion des Dollar.
Sinnfälliges Bild der neuen Gewichtsverteilung waren die Volkswagen, die in den Sechzigerjahren immer häufiger auf Amerikas StraÃen herumfuhren. Die USA hatten die automobile Massenkultur erfunden, hier war der eigene Wagen schon vor dem Zweiten Weltkrieg ein Statusobjekt gewesen, das sich der Normalbürger leisten konnte. Nun überraschten die Europäer damit, dass sie den amerikanischen Herstellern auf ihrem Heimatmarkt Konkurrenz machten. Zwar waren die Vereinigten Staaten weiterhin eine bedeutende Exportnation, aber sie führten jetzt auch immer mehr Waren ein, zunächst aus Europa, später verstärkt aus Asien. Den Automobilen würde bald die Heimelektronik folgen. Die Handelsbilanz kippte ins Minus. Mister und Misses Smith störte das nicht. Im Gegenteil: Amerika war auf dem Weg, der gröÃte Konsumtempel der Geschichte zu werden.
4. Anfechtungen und Bewährungen
Vietnam: ein Dollar-Debakel
Wenn der Dollar-Goldstandard von Bretton Woods im ersten Jahrzehnt so gut funktionierte, so hatte das wesentlich damit zu tun, dass Washington eine an Stabilität orientierte Politik betrieb. Die Amerikaner erfüllten ihre Mission als Weltwährungshüter ohne Fehl und Tadel. Die öffentlichen Haushalte verzeichneten zwar Defizite, doch die Wirtschaft wuchs so schnell, dass der Anteil von Zins und Tilgung am gesamten Volkseinkommen moderat blieb: Sprudelnde Steuereinnahmen halfen im Lauf der Jahre dabei, die Staatsschuld abzutragen. Und abgesehen von militärisch verursachten Preisschüben, etwa während des Koreakriegs, blieben die Inflationsraten moderat. Die amerikanische Notenbank Federal Reserve war 1913 als späte Reaktion auf die Börsenpanik von 1907 ins Leben gerufen worden, vorwiegend um als »Lender of Last Resort« künftige Liquiditätsklemmen abzuwenden. Ein halbes Jahrhundert später konnte sie für sich in Anspruch nehmen, nicht nur erfolgreich neue Finanzkrisen zu verhindern, sondern auch die Inflation fest im Griff zu haben. In der Geldpolitik waren Amerika und die Fed das Maà aller Dinge.
Das änderte sich Mitte der Sechzigerjahre, und wieder war es ein Waffengang, der zu einer dissonanten Geldpolitik führte, diesmal der in Vietnam. Ironischerweise würde dieser Krieg die USA im weiteren Verlauf der Geschichte ausgerechnet in einen Währungskonflikt mit jenem Staat führen, von dem sie den Konflikt »geerbt« hatten. Der Vietnamkrieg, der sich zu dem Fiasko amerikanischer Supermacht-Politik im 21. Jahrhundert entwickeln sollte, hatte als Frankreichs Krieg begonnen. Die USA sprangen erst später ein, als Indochina nach dem Zusammenbruch des französischen Kolonialreichs zur Ausgangsbasis für den kommunistischen Einfluss in Asien zu werden schien. So zumindest las es sich in Washington. Im Jahr 1954 war Vietnam in einen kommunistischen Norden und einen »freien« Süden geteilt worden. Als die nordvietnamesischen Kommunisten dazu übergingen, die unbeliebte Regierung des Südens zu destabilisieren, alarmierte das die strategischen Planer im Pentagon aufs Höchste. Sie hatten sich nunmehr der Doktrin des »containment«, der Eindämmung
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