Weltkrieg der Waehrungen
zum Verhängnis werden können. Wenden wir uns zunächst der Nation zu, die mit ihren Entscheidungen auf die eine oder andere Weise das Gesicht des 21. Jahrhunderts prägen wird.
Teil II:
Der Kampf um das Erbe des Dollar
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1. Der Yuan â Chinas gefesselter Koloss
Die Macht verändert Menschen, und sie verändert Nationen.
Sie verändert die Wahrnehmung ihrer selbst, ihrer Interessen,
ihres Rangs in der Welt und wie sie erwarten,
von anderen behandelt zu werden.
Daher hat der Aufstieg von GroÃmächten im internationalen System
so oft Spannungen und sogar groÃe Kriege hervorgerufen.
Robert Kagan 31
Der gefesselte Koloss
Für jede Regierung ist die Landeswährung ein sensibles Thema. Das liegt nicht nur daran, dass die Chancen der heimischen Exportindustrie oder auch die Inflationsrate von ihrer Festigkeit abhängen. Die Währung ist buchstäblich ein greifbares Symbol des Staates. Münzen und Banknoten zieren meist Menschen oder Werke, welche die Nation oder zumindest die politische Elite für besonders nachahmenswert erachtet. Bei einem ideologisch durchtränkten Staat ist diese Devisen-Sensibilität besonders ausgeprägt. Auf den Geldscheinen der Volksrepublik China prangt, wie könnte es anders sein, das Konterfei des Staatsgründers Mao Zedong, der im gröÃten kommunistischen Land all seinen Verfehlungen oder Verbrechen zum Trotz als eine Art Heiliger der Revolution gilt und über jeden Zweifel erhaben ist. Aber nicht nur das Mao-Porträt auf den Banknoten zeugt von dem Stellenwert, den der Yuan (offiziell auch »Renminbi« oder zu Deutsch »Volksgeld« genannt) für die kommunistische Staatspartei einnimmt. Der Stellenwert bemisst sich auch daran, dass Fragen der Landeswährung für Peking übergeordnete, strategische Priorität genieÃen: Nicht etwa die Notenbank trägt die Verantwortung für den AuÃenwert des Yuan, sondern die Regierung selbst. Für die Kommunistische Partei Chinas ist das »Geld des Volkes« Chefsache, auch wenn ihre monetären Entscheidungen keineswegs immer den Interessen des (einfachen) Volkes dienen.
Der Kurs des Yuan ist im Reich der Mitte ebenso wenig frei wie öffentliche Meinungsbildung, das Internet oder die Religionsausübung. Die Währung steht wie ein Agent im Dienst des Staates. Der Wert des Zahlungsmittels wird gesteuert, und das Zahlungsmittel selbst wird zur Steuerung eingesetzt. Unangemeldete Ein- und Ausfuhr des Yuan sind verboten. Ein freier Tausch gegen andere Valuten ist unterbunden. Westliche Beobachter stoÃen sich an diesem Währungsdirigismus. Er erinnert sie an die Ãra der europäischen Zahlungsmittel-Zwangskontrolle zwischen den DreiÃiger- und Sechzigerjahren. Und tatsächlich scheint die Kritik an Pekings Devisen-Machtpolitik berechtigt.
Nach Ãberzeugung der meisten ausländischen Volkswirte ist der Yuan niedriger bewertet, als es die ökonomische Stärke des Landes gebietet. Der Vorwurf wird erhoben, dass Peking seine Währung als Dumpingwaffe einsetzt, um seiner staatlich gehätschelten Exportindustrie unfaire Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Davon wird noch ausführlich zu reden sein. Bei aller berechtigten Kritik sollte jedoch die Pekinger Innenperspektive nicht ausgeblendet werden: Die chinesische Führung hat einige psychologisch sehr gut nachvollziehbare Gründe, über ihre Währung mit Argusaugen zu wachen.
Ein Grund liegt in der chinesischen Geschichte der vergangenen hundert Jahre, einer Geschichte, die über weite Strecken von Krieg, Bürgerkrieg und Chaos geprägt war, einer Geschichte, in der das monetäre Chaos fast schon der Normalzustand war. Seit dem späten 19. Jahrhundert erlebte das Reich der Mitte etliche Inflationen und Währungsschnitte. Die in China verwendeten Zahlungsmittel wechselten in schwindelerregend schnellem Takt, zuweilen hatten sie nicht einmal ein Jahrzehnt lang Bestand. Sie trugen so fantastische und fremd klingende Namen wie »Customs Gold Units«, »Nordost-Yuan«, »Gold-Yuan«, »Silber-Yuan«, »Mandschukuo-Yuan«, »Mengchiang-Yuan«, »FRB-Yuan« oder »CRB-Yuan« und zeugten aufs Schmerzlichste von der Zerrissenheit und Labilität des politischen Gebildes, das einst als das mächtige Reich der Mitte Asiens politisches, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum gewesen war. Als Volk sahen die Chinesen in etwas mehr als einem
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