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Weltkrieg der Waehrungen

Weltkrieg der Waehrungen

Titel: Weltkrieg der Waehrungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel D. Eckert
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Europäer sahen sich nun unter Zugzwang gesetzt. Aus Angst vor einem monetären Chaos wie in den Zwanzigerjahren führten sie ein eigenes System der koordinierten Wechselkurse ein: die »Währungsschlange«. Dieses europäische Mini-Bretton-Woods sollte zumindest in der Alten Welt die Stabilität der Devisenmärkte aufrechterhalten. Die Kurse der Währungen im Europäischen Wechselkursverbund (so die offizielle Bezeichnung) durften untereinander um maximal 2,25 Prozent von einem gegebenen Mittelwert abweichen – eine recht rigide Vorgabe, mit der die Regelungen des gescheiterten Smithsonian-Abkommens imitiert wurden. Ziel war es zu verhindern, dass starke Wechselkursschwankungen den innereuropäischen Handel störten. Zusätzlich war zunächst eine feste Bandbreite aller Europawährungen zum Dollar vorgesehen. Der gesamte Mechanismus erhielt den sinnigen Namen »Schlange im Tunnel«. Wenn jedoch eine Einheitswährung der Europäer das Ziel war, dann führte der Weg der Schlange eher davon weg als darauf zu.
    Die »Schlange im Tunnel« hatte es von Anfang an schwer. Gleich zu Beginn versetzte ihr die Ölkrise von 1973 einen schweren Schlag. Die hochschnellenden Energiekosten trafen die beteiligten Volkswirtschaften in unterschiedlichem Maß. Die Regierungen mussten auf den Systemstress mit zahlreichen Auf- und Abwertungen reagieren: Teilweise betrugen die über Nacht wirksam werdenden »Anpassungen«, wie sie im offiziellen Sprachgebrauch hießen, acht Prozent. Selbst das reichte nicht: Wiederholt traten Länder ganz aus der Schlange aus, um ihre Währungen frei floaten zu lassen. Ob, wann und zu welchen Bedingungen sie zurückkehrten, war jeweils Gegenstand ausgiebiger Spekulationen. Zu keinem Zeitpunkt konnte von einem stabilen System gesprochen werden. Schon kurz nach der Gründung der Schlange verließen Großbritannien und Italien den Verbund wieder. Die Haushaltslage dieser beiden Staaten war in den Siebzigern besonders desolat. Im weiteren Verlauf des Jahrzehnts sahen sich London und Rom sogar gezwungen, den Internationalen Währungsfonds um Unterstützung zu bitten, was vor allem für die frühere Finanzsupermacht Großbritannien einer Schmach gleichkam. Die Bandbreite zum Dollar (der sogenannte Tunnel) musste im Jahr 1974 aufgegeben werden. Doch auch dieser Befreiungsschlag konnte die Schlange nur vorübergehend retten.
    Das Tohuwabohu der Siebzigerjahre erinnert in vieler Hinsicht an das spätere Chaos, das die 2008 ausgebrochene Finanzkrise auslöste. Sie setzte den europäischen Ländern ebenfalls in ganz unterschiedlichem Maße zu. Der Unterschied war, dass im alten Jahrhundert noch die Option bestand, die eigene Währung abzuwerten oder den Währungsverbund zu verlassen.
    Den schwersten Schock versetzte der europäischen Wechselkursgemeinschaft Frankreich. Paris hatte der Schlange bereits einmal den Rücken gekehrt, im Januar 1974, sich ihr im Juli 1975 jedoch wieder angeschlossen. Doch im Krisenjahr 1976 zog sich die nach der Deutschland zweitgrößte Volkswirtschaft auf dem Kontinent endgültig aus dem Verbund zurück. Paris hatte von der Bundesbank die uneingeschränkte Unterstützung für den Franc-Wechselkurs vermisst. Das hätte jedoch vorausgesetzt, dass die deutschen Währungshüter mit gewaltigen Volumina am Devisenmarkt intervenieren, wozu sie wegen der damit einhergehenden Inflationsgefahren aber nicht bereit waren.Nach dem zweiten und endgültigen Adieu aus Paris war das Ende nur noch eine Frage der Zeit. Im Jahr 1978 scherten auch die nordischen Länder Schweden und Norwegen aus. Nun hielten nur noch Deutschland und vier seiner Nachbarländer – nämlich Belgien, Dänemark, Luxemburg und die Niederlande – dem Wechselkursverbund die Treue. Diese Volkswirtschaften hatten sich als »stark« genug erwiesen, mit der starken D-Mark zurechtzukommen. Wenn es die Aufgabe der Schlange war, einer Einheitswährung den Weg zu bereiten, dann deutete Ende der Siebzigerjahre wenig darauf hin, dass das Ziel in absehbarer Zukunft zu erreichen war.
Europäischer Dauerdualismus
Erbfreundschaft
    Der schmähliche Tod der Schlange in der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre machte eines deutlich: Eine koordinierte europäische Währungspolitik, geschweige denn eine gemeinsame Währung – zu diesem Zeitpunkt wahlweise noch ein ferner Traum oder ein ferner

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