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Weltkrieg der Waehrungen

Weltkrieg der Waehrungen

Titel: Weltkrieg der Waehrungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel D. Eckert
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Mängeln funktionierte das kooperative Modell »Brüssel« weitaus besser als das konfrontative Modell »Versailles«.
Die Domestizierung Deutschlands
    Aus dem Krieg von 1939 bis 1945, jener weltpolitischen Jahrhundertkatastrophe, hatten Deutsche und Franzosen zwei Lehren gezogen, die in der Währungspolitik schwer zu vereinbaren waren: Frankreich verfolgte fortan die Strategie, seinen als potenziell gefährlich empfundenen östlichen Nachbarn durch Umarmung an sich zu binden und an künftigen Aggressionen zu hindern. Die Bundesrepublik hingegen versuchte all ihr Wirken in den Dienst innerer und äußerer Stabilität zu stellen. Ein wichtiger Aspekt war dabei stabiles Geld. Denn wenn das Jahr 1923 eines gezeigt hatte, dann dies: Demokratie und Rechtsstaat hatten es schwer, sich auf deutschem Boden zu festigen, wenn sich der Wert der Währung verflüssigte. Die junge Bundesrepublik war zur Stabilität verdammt, wollte sie eine Republik bleiben. Wo das wilhelminische Reich allzu »ruhelos« gewesen war, da war der Bonner Staat das genaue Gegenteil: ein permanenter Ruhestifter. Es war eben jener Garant des stabilen Geldes, die Bundesbank, der sich dem französischen Ziel der Zähmung Germaniens am meisten widersetzte.
    Selbst wenn das »Wirtschaftswunder« eine quasi mythische Verklärung ist, etablierte sich Deutschland in den drei Jahrzehnten nach der »Stunde null« kraft seines produktiven Potenzials als dominierende Wirtschaftsmacht Westeuropas. Das Bruttoinlandsprodukt der Bundesrepublik überragte das Frankreichs, der zweitgrößten kontinentalen Ökonomie, im Jahr 1970 um mehr als 42 Prozent. Doch während sich deutsche Unternehmen wie Mercedes-Benz, BASF oder Siemens anschickten, die internationalen Märkte zu durchdringen – auf einigen Gebieten wie der Unterhaltungselektronik würden sie indes von den Japanern bald deklassiert werden –, liefen politisch und diplomatisch die Fäden weiterhin in Paris zusammen. Wenn Frankreich wie im Fall der gescheiterten Europäischen Verteidigungsgemeinschaft 1954 oder im Fall der frühen EU-Beitrittsgesuche Großbritanniens 1963 und 1967 auf Blockadekurs ging, trat die Integration eben auf der Stelle. Das Ungleichgewicht zwischen wirtschaftlicher und politischer Macht auf dem Kontinent rief zunehmende Widersprüche hervor.
    In den Siebzigerjahren galten die Deutschen nicht mehr als die pflegeleichten Junior-Partner, die sie für Paris in den Fünfzigern und frühen Sechzigern gewesen waren. Jahre nach Konrad Adenauers und Charles de Gaulles historischer Versöhnung hatte sich in die Beziehungen eine nüchterne, manchmal kühle Note geschlichen. In seinen späten Jahren als Kanzler war Adenauer regelrecht zum »Gaullisten« geworden. Er hatte die junge Bundesrepublik eng nach Westen und vor allem Frankreich ausgerichtet. Doch schon unter seinem Amtsnachfolger Ludwig Erhard (1963 bis 1966) war die Paris-Orientierung einer stärker transatlantischen Politik mit Blick nach Washington gewichen. Die neue Ostpolitik des ersten sozialdemokratischen Kanzlers Willy Brandt (1969–1974) beäugte Paris erst recht mit Misstrauen. De Gaulles Nachfolger Georges Pompidou war »bestürzt über deren strategische Implikationen«, wie ein Historiker es ausdrückte. 45 In den frühen Siebzigerjahren erreichten die deutsch-französischen Beziehungen einen Tiefpunkt. Ohne »herzliches Verhältnis« zwischen Deutschland und Frankreich, so viel war klar, geriet das europäische Projekt ins Stocken.
    Ironischerweise war es die relative Stärke der D-Mark, die die Bildung einer einheitlichen Währung hinauszögerte und zu diesem Zeitpunkt vielleicht sogar die europäische Einigung insgesamt bremste. Gerade während der ersten Ölkrise, die in der westlichen Welt allenthalben ein Hochschnellen der Inflation auslöste, wollten die Deutschen (aus nachvollziehbaren Gründen) nicht auf diesen Stabilitätsanker verzichten. Die Franzosen ihrerseits hatten (aus ebenso nachvollziehbaren Gründen) ihre Mühe damit, sich der Regie der Bundesbank zu unterwerfen. Genau das war jedoch der Nexus, den die »Schlange« unweigerlich mit sich brachte, was vielen Europäern allerdings erst jetzt klar wurde. Durch eine enge Bindung des Franc an die D-Mark gab Frankreich den Herren des Geldes in Frankfurt indirekt Einfluss auf die heimische Konjunktur. Die

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