Weltkrieg der Waehrungen
nach dem Zweiten Weltkrieg halb freiwillig, halb gedrängt darauf verlegten, Waren zu produzieren und auf einem freien Weltmarkt zu verkaufen, stellte sich der Erfolg ein â in Gestalt des »Wirtschaftswunders«. Eine noch gröÃere Leistung als das Wirtschaftswunder war die Stabilität der D-Mark, die lange vor anderen Währungen für niedrige Inflation stand, lange sogar bevor China als Deflationsmaschine das Preisniveau in den westlichen Staaten nachhaltig drückte. Ihr späterer Status einer zweiten Weltwährung hinter dem Dollar war der Deutschen Mark bei ihrer Geburt Ende der Vierzigerjahre alles andere als vorherbestimmt gewesen. Zwischen dem Ersten Weltkrieg und der Gründung der Bundesrepublik standen die Deutschen in der angelsächsischen Welt im Ruf, nicht mit Geld umgehen zu können. Die D-Mark war das schwächste Zahlungsmittel Europas. Die Erfolgsgeschichte der neuen deutschen Währung kam unerwartet und ging viel weiter, als das 1948 irgendjemand zu träumen gewagt hätte.
Ein halbes Jahrhundert später lauteten bis zu 16 Prozent aller weltweiten Devisenbestände auf D-Mark. Das deutsche Geld rangierte als Reservewährung zwar weit hinter dem Dollar, auf den rund zwei Drittel entfielen, aber um Längen vor allen anderen Währungen. Der Anteil des Japanischen Yen lag zum Beispiel bei maximal sieben Prozent. Der Sterling, jene einst ehrwürdige Weltwährung, die dem Geldsystem des 19. und frühen 20. Jahrhunderts ein festes Fundament gegeben hatte (und als Wertaufbewahrungsmittel in höchstem Ansehen stand), brachte es am Ende des 20. Jahrhunderts nur noch auf drei Prozent der Reserven. Der Aufstieg der Mark zum weltweiten Wertaufbewahrungsmittel ist umso bemerkenswerter, als verschiedene Bundesregierungen einen solchen Reservestatus der Mark gezielt zu unterbinden suchten. Der Euro, als gemeinsame Währung (fast) aller Europäer, würde später zu seinen besten Zeiten rund 28 Prozent der Bestände umfassen. Das verdeutlicht, wie sehr die harte Mark als Reservewährung weltweit geschätzt wurde.
Für das Selbstverständnis des neuen deutschen Staates war die Stabilität der D-Mark von gröÃter Bedeutung. Der Historiker Michael Stürmer drückte es, mit einer für seine Zunft seltenen Klarsicht auf die Zusammenhänge von Geld und Gewissen, einmal so aus: Die stabile Währung sei den Deutschen wie eine Erlösung von den Desastern ihrer Geschichte vorgekommen. »Die D-Mark war nicht eine Währung, sie war Lebensform und Versprechen, dass die Vergangenheit sich nie wiederholen würde.« 54 Der unerwartete und überwältigende Erfolg macht verständlich, warum die Deutschen 1999 und 2002, als der Euro die D-Mark zuerst als Buchgeld, dann in Gestalt von Münzen und Banknoten ersetzte, so sehr trauerten und damit die Behauptung von der deutschen Unfähigkeit zu trauern Lügen straften. Als es ernst wurde mit dem europäischen Geld, sprach sich immer noch mehr als die Hälfte der Bundesbürger dafür aus, die Mark zu behalten â trotz der blumigen Politikerworte, trotz der steuerfinanzierten Werbekampagnen und trotz eines fast optimalen weltpolitischen Umfelds. Aber, wie Stürmer fortfährt, es sei gerade dieser Erfolg gewesen, der die deutsche Währung ihre Existenz kostete. Wäre die D-Mark eine Weichwährung gewesen wie das Inflationsgeld der frühen Weimarer Republik oder die italienische Lira, hätten Deutschlands Alliierte nach der Wiedervereinigung wohl kaum darauf gedrungen, sie in der europäischen Gemeinschaftswährung aufgehen zu lassen. Die Bundesbürger ihrerseits hätten ihr keine Träne nachgeweint.
Die europäischen Nachbarn bekamen es mit der Angst zu tun: Durch die VergröÃerung des Währungsraums gestärkte Machtansprüche der Deutschen konnten der Idee eines geeinten Europas nicht guttun, argwöhnten sie. Vor allem: Wie weit mochte der monetäre Expansionismus der Deutschen gehen? Ohne die Einführung der gemeinsamen Währung war Osteuropa dazu prädestiniert, dem D-Mark-Block zuzufallen. Aller Voraussicht nach wäre das deutsche Geld in einem geografischen Raum vom Baltikum bis zum Balkan mindestens zur Parallelwährung avanciert. Dieses Gebiet hätte in etwa der deutschen (und habsburgischen) Einflusszone in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg entsprochen, was bei manchem in Ost und West ungute Erinnerungen
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