Weltraumpartisanen 04: Aufstand Der Roboter
überschlugen, erschien mir als die reinste Verdammnis.
Am vierten Tag wurde ich vormittags von einem hohen Beamten des Justizministeriums aufgesucht und ausführlich über Lieutenant Ibaka ausgefragt.
»Wie«, so lautete eine an mich gerichtete Frage, »reagierte er auf die Nachricht von der Ermordung seiner Familie?«
»Es war für ihn ein unvorstellbarer Schock.«
»Er hing an seiner Familie?«
»Sie bedeutete für ihn alles.«
»Sie kennen ihn besser als jeder andere, Commander. Hat er sonst je zu Gewalttätigkeiten dieser Art geneigt?«
»Nein. Nie.«
»Wären beispielsweise Sie bereit, ihn in seiner Eigenschaft als Bordingenieur erneut unter Ihr Kommando zu nehmen?«
»Jederzeit.«
Mein Besucher klappte seinen Aktendeckel zu und reichte mir die Hand. Obwohl er sich in keiner Weise konkret geäußert hatte, schien es mir, als sei der Fall Ibaka doch nicht hoffnungslos.
Lieutenant Ibaka selbst weigerte sich, mich zu empfangen. Ein Grund für seine Weigerung wurde mir nicht mitgeteilt. Ich ließ ihm ausrichten: Unsere Absprache bestünde auch weiterhin, ich sei unverändert für ihn da.
Ein Kurier überbrachte mir ein Buch aus dem Bestand von John Harris. Es handelte sich dabei um eine mir noch unbekannte posthume Veröffentlichung eines Werkes von Samuel Hirschmann, dem unvergesslichen Präsidenten. Gleich auf der ersten Seite hatte Harris einen Satz angestrichen: Oberstes Ziel aller Staatsführung muss es sein, die verhängnisvolle Kluft aufzuheben, die – fast immer – zwischen der so genannten Realpolitik und den Grundsätzen der Ethik klafft.
Ein Blatt, beschrieben mit der steifen Handschrift des ehemaligen Delta-VII-Commanders, war beigefügt: »Dies, mein lieber Brandis, steht als Wahlspruch über unserer Zukunft, falls wir sie erleben. So oder so: Wir haben es versucht.«
Später begriff ich, dass John Harris in der schrecklichen Einsamkeit eines Präsidenten mir damit seine Freundschaft angeboten hatte.
Am sechsten Tag hielt es mich nicht länger. Ich ließ mich hinausbringen zur Werft. Und ich sah: Die Mechaniker hatten ihre Arbeit getan. Delta VII stand auf der Rampe und war klar zum Start.
Ein unvergleichlicher Anblick: dieses graue Schiff, schlank und rank vor der untergehenden Sonne, das rot leuchtende Cockpit dem Abendstern entgegengereckt, als hätte es Heimweh nach der feierlichen Einsamkeit des Alls, für die es erbaut war.
Ich ging an Bord und setzte mich in den Kommandantensessel. Erst durch Dämmerung und Dunkelheit ließ ich mich von Delta VII trennen.
Es war schon spät, als ich vor meinem Hotel ankam. Einen Augenblick lang ließ ich den lauen Juniabend auf mich einwirken – dann bemerkte ich, dass ich erwartet wurde.
»Auf ein Wort, Sir!« Ein Offizier der Militärpolizei war an mich herangetreten. »Commander Brandis?«
Ich nickte.
»Wir brauchen dringend Ihre Hilfe.«
»Was ist passiert?«
»Es geht um Ihren Lieutenant, Sir.«
»Lieutenant Ibaka?«
»So ist es, Sir. Er hat sich heute Nachmittag einer Laserpistole bemächtigt und ist ausgebrochen.«
»Und wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Indem Sie ihn zur Vernunft bringen, Sir. Er hat sich in einer Nachtbar verschanzt und droht, jeden über den Haufen zu schießen, der ihn da rauszuholen versucht. Sir, bevor es ein Unglück gibt – Sie müssen es ihm sagen, dem Narren, dass er begnadigt worden ist! Uns will er’s ja nicht glauben.«
12.
Als ich das hektische Stakkato der Trommel hörte, die im Keller geschlagen wurde, wusste ich, dass Lieutenant Ibaka sowohl betrunken als auch gefährlich war. Niemand außer ihm war in der Lage, einem gewöhnlichen Schlagzeug diesen aufreizenden, elektrisierenden, ins Blut gehenden rauen Klang entfesselter Wildheit zu entlocken. Ich wusste es von ihm selbst.
Ich erinnerte mich noch sehr gut daran.
»Hören Sie zu, Sir!«, hatte Lieutenant Ibaka damals zu mir gesagt. »Was ich Ihnen jetzt spiele, stammt noch aus der Zeit der blutigen Stammesfehden. Es ist sozusagen der Gesang eines sterbenden Kriegers.«
Und während er seine schwarzen, geschmeidigen Hände über das Fell laufen ließ, erklärte er mir, was alles in dieser Trommelklage enthalten ist. In seiner stereotypen Wiederholung war es mir unvergesslich geworden: ein wilder, beschwörender Aufschrei, eingedenk der gefallenen tapferen Krieger den Kampf weiterzuführen bis zu seinem siegreichen Ende. Und ebendieser Rhythmus dröhnte mir nun aus diesem Kellerlokal in Berlin-Moabit entgegen.
Olivgrüne
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