Weltraumpartisanen 10: Aktenzeichen: Illegal
sagte ich, „was Ihre Frage nach meinen Gefühlen anbetrifft: Erstens bin ich total unmusikalisch, und zweitens verabscheue ich das Tanzen.“
Captain Romen blickte entsetzt.
„Sir“, fragte er, „Sie halten mich doch nicht für verrückt?“
Mein Unmut war bereits am Verrauchen. Indem Captain Romen mich an Ruth O’Hara erinnerte, hatte er meine empfindsamste Saite berührt. Und nur, um vor ihm nicht vollends das Gesicht eines erzürnten Vorgesetzten zu verlieren, gab ich zurück:
„Schlimmer, Captain. Ich halte Sie für verliebt.“
Ich machte, daß ich davonkam, bevor Captain Romen erneut zu schwärmen begann. Außerdem wollte ich wenigstens bei Harris, der ein Zeitfanatiker war, pünktlich sein.
Der Lift beförderte mich zum Direktionstrakt im fünfunddreißigsten Stock. Harris’ Sekretärin, Miß Annegret Sauerlein, eine unscheinbare graue Maus mit dicker Hornbrille, warf mir einen gequälten Blick zu, bevor sie mich passieren ließ.
„Sie werden verstehen, Commander, daß der Direktor nur wenig Zeit hat. Diese Delegation hat ihn völlig mit Beschlag belegt.“
Ich trat ein.
Das gesamte VOR-Team war im großen, getäfelten und abhörsicheren Konferenzzimmer versammelt. Auf dem Tisch standen Reste eines kalten Büffets und leere Champagnerflaschen.
Zu meinem Erstaunen unterhielt sich John Harris höchst angeregt und leutselig mit einem Delegationsmitglied, wobei er mir den Rücken zuwandte. Ich hörte ihn, der sonst so gut wie nie ein persönliches Wort über die Lippen brachte, scherzen und lachen.
Ich trat hinzu. Harris unterbrach sich.
„Sir!“ sagte ich. „Ich möchte mich, ohne groß zu stören, bei Ihnen für die Dauer meines Urlaubs in aller Form abmelden und mich zugleich persönlich von Ihnen verabschieden.“
John Harris wandte sich mir zu und trat ein wenig zur Seite - und plötzlich hatte ich nur noch Augen für das Delegationsmitglied, mit dem er sich soeben noch unterhalten hatte. Dieses Delegationsmitglied lächelte - und die Zähne glichen Perlen, umgeben von Korallenlippen. Die Wangen waren weiß wie Schnee, durch die ein zartes Rosenrot…
„Commander Brandis“, hörte ich John Harris sagen, „darf ich Sie bekanntmachen mit Miß Ko Ai, unserer charmanten Beraterin in Fragen der Astrophysik?“
Teufel! dachte ich. Captain Romen, dieser verflixte Zigeuner, hat tatsächlich recht!
Und ich beugte mich über die schmale, anmutige Hand, die Ko Ai mir entgegenstreckte.
2.
Es wurde ein höchst konventioneller Urlaub.
Wir verbrachten ihn in Acapulco, einem Ort, mit dem ich nichts anfangen konnte. Dieses Mekka einer synthetisch verlängerten Jugend, der die Schwermut und Müdigkeit des Alters und die lange Summe ihrer Erfahrungen und Laster aus den golden und silbern geschminkten Augen blickten, entsprach nicht meinem Geschmack, und die unverbrämten Liebesspiele der von geschickten Chirurgen in geschmeidige junge Mädchen rückverwandelten Matronen und der verlebten braunhäutigen Sonnyboys widerten mich an - fast so sehr wie der Anblick, der sich mir vom Hotelfenster bot: eine aus Beton und Kunststoff im Meer errichtete Rekonstruktion der sieben Weltwunder des klassischen Altertums.
Nach zwei Tagen in Acapulco bekam ich Heimweh nach den Sternen: nach der klaren, sauberen Einsamkeit in der Unendlichkeit und Zeitlosigkeit des Raumes.
Seltsam: wenn ich unter den Sternen dahinzog, überfiel mich wiederum oft genug das Heimweh nach der Erde - das Heimweh nach diesem blauen Planeten, der im ganzen Raum nicht seinesgleichen hat.
In Acapulco konnte man sich dieses Heimweh ein für allemal abgewöhnen.
Mein einziger Trost war Ruth O’Hara. Ob in Acapulco oder anderswo: sie war glücklich, mich zum ersten Mal wieder seit langer Zeit Tag und Nacht für sich zu haben - und dieses Glück mochte ich ihr nicht zerstören.
Es gab genug Frauen in Acapulco, die, wenn es sich um eine Schönheitskonkurrenz nach Regeln gehandelt hätte, Ruth O’Hara haushoch geschlagen hätten. Das Erstaunliche dabei war: Wo immer Ruth O’Hara auftauchte, mit ihrer Jugend und Anmut, mit ihrem federnden Gang, mit ihrem wehenden roten Haar über den seegrünen irischen Augen, drehten sich die Menschen nach ihr um, als hätten sie soeben ein zusätzliches achtes Weltwunder entdeckt.
Einer, der sich nach Ruth O’Hara umdrehte, war Walter Hildebrandt, ein längst vergessener Freund aus alten Sandkastentagen und frühen Schuljahren. Ich erkannte ihn an seinem Feuermal auf der rechten Wange.
„Mann!“
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